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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Als der Limes wiederentdeckt wurde

Nach dem Zusammenbruch des römischen Befestigungssystems Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. wurden die Reste römischer Bauwerke für neue Bauten wieder verwendet (ein anschauliches Beispiel ist der Weihestein des Präfekten des Obernburger Kastells Lucius Petronius Florentinus, der sich noch heute in den Mauern des Hauses Römerstraße 41 befindet) und die Gräben, Wälle und Mauern eingeebnet. Viele Jahrhunderte lang war das Wissen um die römische Vergangenheit weitestgehend verloren.

Erst im 16. Jahrhundert zogen die römischen Überreste die humanistischen Forscher an. Als einer der ersten schreibt Johannes Turmair um 1520 einen Mauerrest bei Eichstätt den Römern zu und stellt Vermutungen über den Verlauf der römischen Reichsgrenze in Süddeutschland an. Auf seinen Erkenntnissen bauten bis ins 19. Jahrhundert viele andere Altertumsforscher auf. So erkannte Christian Ernst Hanßelmann (1699-1775) einen Zusammenhang zwischen den römischen Resten im Taunus und der rätischen Mauer in Hohenlohe und nahm dort erste Forschungen vor.

Nach der Wende zum 19. Jahrhundert erwachte im neu geschaffenen deutschen Staatenbund das Interesse an der Vergangenheit. Überall wuchsen historische Vereine aus dem Boden, insbesondere entlang des Limes. Allen voran tat sich der Verein für Altertumskunde in Ellwangen hervor, dessen Mitglieder mit großem Enthusiasmus Kastelle ausgruben und Limesabschnitte beschrieben. Mit der 1852 gegründeten „Commission zur Erforschung des Limes Imperii Romani“ versuchten die am Limes angesiedelten Altertumsvereine eine erste systematische und grenzübergreifenden Erforschung.

Auch die staatlichen Stellen griffen durch die Förderung von Ausgrabungen und die Einsetzung von staatlichen Limeskommissionen in die Erforschung ein. Allerdings bleiben noch viele Fragen offen, weil aufgrund des politischen Systems die Forschungen und ihre Ergebnisse an den jeweiligen Ländergrenzen stecken blieben. Außerdem fehlte es an einer übergreifenden Erforschung der Anlagen. Der bekannte Altertumsforscher Theodor Mommsen beklagte 1891, dass es „so viele Limesliteraturen wie beteiligte Staaten gibt“, die nicht zur Klärung der bestehenden Widersprüche beitragen würden.

Seit 1883 ließ Mommsen dann keine Gelegenheit aus, auf die dringende Notwendigkeit einer nationalen, systematischen Limesuntersuchung zu dringen. Allerdings scheiterten seine Bestrebungen zunächst, da er als politisch Liberaler nicht die Unterstützung des Reichskanzlers von Bismarck fand. Erst nach dessen Rücktritt konnten am 28. Dezember 1890 die Delegierten der fünf betroffenen Staaten (Baden, Bayern, Hessen, Preußen und Württemberg) auf der Limeskonferenz in Heidelberg unter der Leitung von Mommsen Vorschläge an ihre jeweiligen Regierungen erarbeiten. Diese Vorschläge wurden dann am 6. und 7. Juni 1892 bei der konstituierenden Sitzung der Reichs-Limes-Kommission in Heidelberg in den Statuten verwirklicht.

Die Aufgabe dieser Kommission sollte „die Erforschung des Limes, der römischen Grenzsperre in Rätien und Obergermanien“ innerhalb von fünf Jahren sein. Die Ergebnisse sollten regelmäßig veröffentlicht werden und es sollte auch eine regelmäßige Berichterstattung an den Reichskanzler erfolgen. Die Kommission bestand aus Wissenschaftlern und Laien, die sich für Geschichte interessierten. Zur Bewältigung dieser gewaltigen Aufgabe wurde die 555 km lange Befestigung in 15 Strecken aufgeteilt, wobei sich die Kommission an zu dieser Zeit gültigen Verwaltungsgrenzen orientierte:

Strecke 1

Rheinbrohl - Bad Ems

Strecke 2

Bad Ems - Adolfseck bei Bad Schwalbach

Strecke 3

Adolfseck bei Bad Schwalbach - Taunus - Köpperner Tal

Strecke 4

Köpperner Tal - Wetterau - Marköbel

Strecke 5

Marköbel - Groß-Krotzenburg am Main

Strecke 6a

Hainstadt (bei Seligenstadt) - Obernburg - Wörth am Main (ältere Mainlinie)

Strecke 6b

Trennfurt (Klingenberg am Main) - Miltenberg

Strecke 7

Miltenberg - Rehberg

Strecke 8

Rehberg - Walldürn - Buchen (Odenwald) - Osterburken - Jagsthausen (neuere Odenwaldlinie)

Strecke 9

Jagsthausen - Welzheim - Haghof

Strecke 10

Wörth am Main - Bad Wimpfen (ältere Odenwaldlinie)

Strecke 11

Bad Wimpfen - Köngen (Neckarlinie)

Strecke 12

Haghof - Lorch (Ende des obergermanischen Limes, Beginn des raetischen Limes) - Aalen - Mönchsroth

Strecke 13

Mönchsroth - Gunzenhausen

Strecke 14

Gunzenhausen - Weißenburg - Kipfenberg

Strecke 15

Kipfenberg - Einig

Die vorgegebenen fünf Jahre konnten nicht eingehalten werden, vielmehr zogen sich die Erforschungen bis 1937 hin. Die Veröffentlichungen der Kommission „Der Obergermanisch-Raetische Limes des Roemerreiches“ erschienen in den Jahren 1894 bis 1937 in 14 Bänden, jeweils sieben für die Kastelle und den Streckenverlauf. Sie sind bis heute die Grundlage für die weiteren wissenschaftlichen Forschungen am Limes. Auf der insgesamt 555 km langen Limesgrenze wurden insgesamt 97 Kastellanlagen gefunden, von denen vermutlich 60 gleichzeitig genutzt wurden und um die 900 Wachttürme, die innerhalb der Streckenabschnitte durchnummeriert sind.

Die eigentliche Arbeit im Gelände wurde von den so genannten Streckenkommissaren durchgeführt. Die Tätigkeit war als ein Ehrenamt gedacht.

Der Streckenkommissar musste sich selbstständig um eventuell notwendige Grabungserlaubnisse kümmern und Arbeitskräfte anwerben. In einem Tagebuch mussten alle Arbeiten protokolliert werden. Diese Tagebücher wurden am Ende einer Grabungsperiode an die vorgesetzten Dirigenten eingesandt, ebenso Zeichnungen und Berichte mit genauen Plänen jeweils am Jahresende. Für abgeschlossene Strecken oder für Kastelle mussten druckfähige Berichte abgeliefert werden, die dann Teil des Limeswerks wurden.

Der Streckenkommissar für unseren Bereich war der Landrichter Wilhelm von Conrady, der auf der Mildenburg in Miltenberg nach seiner Pensionierung ein neues Zuhause gefunden hatte. Über ihn und seine Arbeit lohnt es sich, einen ganz eigenen Bericht zu verfassen.

Eva-Marie Wagner