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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Erinnerungen an die alte Stadtpfarrkirche

Alte Erinnerungen Kirche Ausschnittalt im Stadtbild

Mit diesen Beiträgen möchte der Verfasser an einige Besonderheiten der alten Pfarrkirche St. Peter und Paul in Obernburg am Main erinnern, die nach dem Abbruch der Kirche im Jahre 1964 beinahe in Vergessenheit geraten sind.

 

 

 

Zunächst geht es um eine Steintafel am nördlichen Seitenschiff (Westseite) und um die Steintafel am südlichen Seitenschiff (Westseite).

Die Größe der Tafel am nördlichen Seitenschiff betrug ungefähr 90 x 45 cm. Der in lateinischer Sprache verfasste Text lautete in sinngemäßer Übersetzung:

„Zur festlichen 1200-Jahrfeier der Märtyrer Kilian, Kolonat und Totnan erweiterte die Bürgerschaft von Obernburg die Pfarrkirche“

 

Alte Erinnerungen Kirche Tafel Kilian

Dazu ist folgendes zu bemerken: Einige Buchstaben waren besonders hervorgehoben und ergaben die Jahreszahl 1889 des Jubiläums in römischen Zahlen. Dieses Phänomen wird in der Fachsprache Chronogramm oder auch Chronostichon genannt.

 

Die Tafel am südlichen Seitenschiff entsprach in ihren Maßen und in ihrem Aussehen der Tafel am nördlichen Seitenschiff. Die Inschrift lautete:

Alte Erinnerungen Kirche Tafel Stadtmauersteine

 

Dieser Schriftzug wurde bereits um 1950 anlässlich einer Gemeindemission unter dem Obernburger Pfarrer und Dekan Wilhelm Hefner BGR entfernt, um ihn durch ein Missionskreuz zu ersetzen.

 

Die Kreuzdarstellung mit Korpus wurde vom vorgenannten Pfarrer selbst angefertigt und befand sich ab 1978 bis zu seiner letzten Renovierung im Sitzungssaal des Rathauses.

Alte Erinnerungen Kirche mit Missionskreuz von Hefner

Ob an der einen oder anderen Steintafel wie üblich so genannte Grundsteinunterlagen deponiert waren ist dem Unterzeichner nicht bekannt. Auch über den Verbleib der Tafel an der nördlichen Seite ist nichts bekannt.

Die feierliche Kirchenerweiterung fand am 31. Mai 1891 (ursprünglich vorgesehen war der 21. Dezember 1890) statt. Vorgenommen wurde die Einweihung von Bischof Franz Josef von Stein, der an diesem Tag auch die neuerbaute Mainbrücke einweihte und 70 Kindern das Sakrament der Firmung spendete.

1 Vgl. Straßer, Hans Georg: Wege über den Main. In: Aschaffenburger Jahrbuch Bd. 16, S. 281f. Aschaffenburg 1993.

1722 ließ der Obernburger Pfarrer und späterer Kanonikus Johann Philipp Cammer (gest. 1759) ein neues Kirchenschiff mit Chor errichten. Die Kosten hierfür betrugen 4491,14 Gulden. Konsekriert wurde die Kirche vom Mainzer Weihbischof Christoph Nebel (1686-1769) am Gallustag (16. Oktober) des Jahres 1728.

Die an beiden Seiten des Langhauses angebrachten Eingangstüren wiesen völlig unterschiedliche Stilelemente auf. Der südliche Eingang orientierte sich am Stil der frühen Barockzeit. Die Umrahmung/Einfassung war mit Pilastern geschmückt und schloss mit einem Segmentbogen ab. Über dem Türsturz befand sich ein rankengeschmücktes Medaillon mit der Jahreszahl 1722.

 

Kirche alt Eingangstür Süd Kirche 1722
Kirche alt Eingang Süd Foto

Aus denkmalpflegerischer Sicht wäre es angebracht gewesen, die gesamte Türumrahmung an der Ostseite des Kirchturmes wieder anzubringen. Doch so ist leider außer dem Medaillon mit der Jahreszahl (angebracht am Kirchturm Richtung Kirche) nichts erhalten geblieben.

Die Eingangstüre an der Nordseite sah, wie bereits angedeutet, völlig anders aus. Sie war nur mit einer einfachen Umrahmung versehen und der Türsturz endete mit einer Doppelprofilleiste. Darunter waren etwas erhöht drei allegorische Zeichen zu sehen. Das Zeichen auf der linken Seite konnte als die „Dreieinigkeit Gottes“ gedeutet werden. Dieses Zeichen, „Dreischenkel“ oder „Dreibein“ (von lat. triquetra) genannt, war und ist häufig an romanischen Kirchen zu finden.

Bei dem mittleren Zeichen handelte es sich vermutlich um ein Symbol für die vier Evangelisten, die wiederum das gemeinsame Wort Gottes versinnbildlichen. An der rechten Seite war ein Zeichen angebracht, das wahrscheinlich eine Pfarrkirche zeigen sollte, die die Sakramente spenden konnte. Dabei handelte es sich in erster Linie um das Sakrament der Taufe, die als „sprudelndes“ Wasser dargestellt wurde. Dem Zeichen nach durften aber auch andere Sakramentalien wie etwa die Segnung und Weihung von Gegenständen in dieser Pfarrkirche vorgenommen werden.
 

Kirche alt Eingangstür Nord

Ein ähnlicher Türsturz, der aus der ehemaligen Mutterkirche Walehusen (Wallhausen)  stammt, befindet sich im Museum der Stadt Miltenberg. Er zeigt ebenfalls an beiden Seiten allegorische Zeichen aus dem hohen Mittelalter.

 

 

Ob der Türsturz in Obernburg aus einem früheren Kirchenbau stammt, wissen wir nicht. Auch hier wurde kein Teil der ehemaligen Eingangstür sichergestellt.

1 Hefner, Leo: Obernburg. Abriss seiner Geschichte. Obernburg 1962.
2 Spemann, Wilhelm: Kunstlexikon. Ein Handbuch für Künstler und Kunstfreunde. Berlin; Stuttgart 1905. S. 234.
3 Bistum Würzburg (Hg.): Katholischer Katechismus. Würzburg 1926. Seite 101.
4 Beckmann, Bernhard: Walehusen-Wallhausen, eine mittelalterliche Stadt auf römischen Ruinen. S. 99. In: Stadt Miltenberg (Hg.):
   750 Jahre Stadt Miltenberg. 1237-1987. Beiträge zur Geschichte, Wirtschaft und Kultur einer fränkischen Stadt. Miltenberg 1987.
5 Reiß, Alois: Kirchengeschichte. S. 91-119. In: Gemeinde Laudenbach (Hg.): Chronik von Laudenbach am Main, Bd. I. St. Ottilien 2000.

 

Der folgende Abschnitt beschreibt einige Details der Ausschmückung der alten Stadtpfarrkirche in Obernburg. Der Verfasser möchte die Aufmerksamkeit diesmal besonders auf das Putztonnengewölbe aus dem Jahre 1722 mit aufwändigem Bandelwerkstuck lenken.

Das Gewölbe war gegliedert in mehrere Doppelgurtbögen in Form von Pilastern, die mit Rankenmuster geschmückt waren. Im Scheitel befanden sich hervorgehobene Stuckmedaillons, die von Putten gehalten wurden.

Kirche alt Gurtbogen1

Am Chorbogen war das so genannte “Christusmonogramm” angebracht.

Kirche alt Gurtbogen3

Am zweiten Gurtbogen befand sich das Monogramm der Kirchenpatrone “Peter und Paul”.

Kirche alt Gurtbogen4_2010
Kirche alt Gurtbogen4
Kirche alt Wappenkartusche
Kirche alt Gewoelbe Inschrift Px
Kirche alt Gewoelbe mit Putten

Am dritten Gurtbogen ist das Monogramm „Ave Maria“ zu erkennen.

Am letzten Gurtbogen über der Orgelempore war im Scheitel eine Wappenkartusche angebracht, die in einem Doppeladler das Wappen und Siegelbild der Stadt Obernburg (Mainzer Rad) zeigte.

Zum Gurtbogen an der Orgelempore ist folgendes zu bemerken: Das Mainzer Rad war bis 1814 das städtische Emblem und im Siegel der Stadt zu sehen. Erst seit 1819 erscheint das jetzige Stadtwappen in der Bürgermeistermedaille. Die Wappenkartusche war verziert mit dem kaiserlichen Doppeladler sowie Reichsapfel und Schwert. Diese Besonderheit befindet sich auch an der Wetterfahne des Oberen Tores von 1598 in Obernburg.

Die Stadt Obernburg fühlte sich immer als etwas Besonderes: Sie versäumte bei Kaiserwechsel fast nie eine Abordnung nach Frankfurt zu entsenden, um die Bestätigung ihrer so genannten städtischen Privilegien zu erbitten. Ein besonderer Status war für Obernburg allerdings nicht abzuleiten. Im folgenden Artikel ist die genaue städtische Rechtslage der Stadt Obernburg dargelegt. 1

Dieses Oppidanrecht, jus oppidi, war von dem Civitätsrecht, jus civitatis, wesentlich verschieden und letzteres ein viel höherer Grad der Libertation. Wenn eine Stadt reich- oder landesunmittelbar gewesen ist, in politischen und Rechtssachen von den Cent- und Landgerichten befreit war, so genoß sie jura civitatis, wie z. B. Gelnhausen, Miltenberg, Aschaffenburg. War eine Stadt, z. B. Obernburg, Umstadt, Dieburg und Seligenstadt nicht landgerichtsfrei, hatte sie gleichwohl das Recht, sich zu befestigen, Märkte und Gerichte halten zu dürfen, so war sie nur oppidum. Die Libertations-Urkunden drücken zwar diesen bedeutenden Unterschied meistens nicht aus, ja sie verweisen oft eine neue Stadt, die nur Oppidanrechte genießen soll, auf die Rechte einer anderen, welche landgerichtsfrei ist. Da nun dergleichen Libertations-Urkunden zuweilen mißverstanden worden sind, so gab König Ludwig der Baier im Jahre 1332 auf Anfrage der Stadt Gelnhausen, nach deren Muster viele benachbarten Städte more solito gefreit worden sind, ohne dass sie jedoch landgerichtsfrei werden sollten, folgende authentische Erklärung dahin. „Undt meynen nit, daz dieselben Stedte, Merkte odir Dörfer alle alte fryhunge undt besundir genode sullen haben, die Geylnhusen undt ander unser des Richs Stede innhabend.“ (Siehe Bodmann rhein Alterth. 2 Abth. S. 887) Die Stadt Obernburg war früherhin lang in Versuchung aus dem Grunde Civitätsrechte anzusprechen, weil sie auf die landgerichtsfreie und landesunmittelbare Stadt Miltenberg hinverwiesen war: Bodmann i. c. 1. Abth. S. 132 Note 1 bemerkt daher von dieser Stadt folgendes: „Gleichwohl spukten diese Ausdrücke hie und da manchen unter ähnlichen Formen libertirten Landstädten mächtig im Kopfe, die nicht selten in vollem Ernste glaubten, dadurch nunmehr vom Lande und dessen Regierung emancipiert und reichsunmittelbar geworden zu seyn, wie denn die kurfürstliche Regierung zu Mainz noch im vorigen Jahrhunderte sich veranlaßt gesehen, den unruhigen, mit gleichem Schwindel behafteten Köpfen des Städtchens Obernburg den wahren Sinn solcher Urkunden magistraliter begreiflich zu machen und sie zu ihren Pflichten zurückzuführen. (…)“

 

Peter Burkart

1 J.W. Steiner: Geschichte der Städte Umstadt und Babenhausen, Zweiter Theil 1827, S. 237-238