In mehreren Veröffentlichungen ist zu lesen, Johannes Obernburger habe die Figurengruppe der Anna Selbtritt geschenkt und den Armenfond der Annakapelle um 500 Gulden vermehrt. Johannes Obernburger war ab 1522 bis zu seinem Tod 1552 ohne Unterbrechung für die Kanzlei von Kaiser Karl V. tätig.16 Obernburger starb am 21. Juni 1552 abends um 20 Uhr in seiner Herberge in Villach durch einen Sturz vom Glasdach und war sofort tot.17 Er hinterließ eine Tochter von 3 Jahren und ein beträchtliches Geldvermögen. Dieses war am 20. November 1559 Gegenstand von Erbauseinandersetzungen.18 Für die oben genannten Schenkungen sind mir keine persönlichen Verfügungen von Johannes Obernburger bekannt. Das schließt aber nicht aus, dass die Erben solche Verfügungen besaßen und ausführten.
Jüngste Recherchen im Stadtarchiv Obernburg Im Spätsommer 2016 ergab die Suche in Ratsprotokollen und Stadtrechnungen Hinweise auf Feiern des Annafestes in den Jahren 1701 und 1702.
Zusammenfassung und Wertung In der Urkunde vom 23. Oktober 1516 ordnen Dechant und Kapitel des Stifts St. Peter und Alexander in Aschaffenburg in einem Vertrag eine besondere Ehrung der Hl. Anna durch Abhaltung eines jährlichen Annatags an. Deshalb meine ich, dass Pfarrei, Stadt und Bürger von Obernburg das große Fest 500 Jahre Annatag im Jahr 2017 zurecht begehen werden.
Literatur Amrhein August: Die Prälaten und Canoniker des ehemaligen Collegiatstifts St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg Würzburg 1882. In: Archiv des historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg. Band 26 Gross Lothar: Die Reichsregisterbücher Kaiser Karls V., Wien u. Leipzig 1930 Haus der Bayerischen Geschichte: Das Rätsel Grünewald. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung im Schloss Johannisburg in Aschaffenburg. Augsburg 2002 Hinkel Helmut: Pfarrer und Seelsorge im Aschaffenburger Raum. Die Landkapitel Montat und Rodgau 1550-1650. Aschaffenburg 1980 Koch Günther: Johannes Obernburger (1486-1552) Kaiserlicher Sekretär, päpstlicher Notar. Stoffsammlung für eine Biographie. Dachau 2012 (nicht käuflich, existiert nur in 3 Exemplaren im Selbstverlag) Steiner Johann, Christian Wilhelm Steiner: Geschichte und Topographie der alten Grafschaft und Cent Ostheim und der Stadt Obernburg am Main, Aschaffenburg 1821, Erweiterter Neudruck Obernburg 2006 Tacke Andreas: Der Kardinal Albrecht von Brandenburg. Band 1 Katalog Regensburg 2006 Tacke Andreas: Der Kardinal Albrecht von Brandenburg. Band 2 Essays Regensburg 2006
Anmerkungen 1 Albrecht war das siebente und jüngste Kind des Kurfürsten Johann Cicero von Brandenburg. Er lebte von 1490 bis 1545. Im Alter von 23 Jahren 1513 zum Priester geweiht, wurde er noch im gleichen Jahr Erzbischof von Magdeburg und ein Jahr später Erzbischof und Kurfürst von Mainz, Reichserzkanzler und Stellvertreter des Kaisers. Am 17. November 1517 erhielt er in Aschaffenburg Martin Luthers Brief vom 31.Oktober 1517 mit den 95 handgeschriebenen Thesen. Papst Leo X. ernannte Albrecht 1518 zum Kardinal. Tacke. Band 1, 2006, 55; Haus der Bayerischen Geschichte. Das Rätsel Grünewald. Augsburg 2002, 85ff 2 Amrhein 1882, 40, Zeile 26 3 Amrhein 1882, 77, Zeile 18 4 Georg Graf v. Henneberg war Canonikus in den Domen zu Mainz, Köln und Straßburg. Er wurde 1512 zum Stiftspropst von Aschaffenburg gewählt und regierte bis 1526. Amrhein 1882, 73 5 Amrhein 1882, 45ff 6 Amrhein 1882, 48 7 Ulrich Kemmerlin aus Hall bei Salzburg lebte von 1446 bis 1519. Er war seit 1482 Canonikus und wurde am 26. Juni 1493 Dechant im Stift Aschaffenburg. Er regierte bis 29. Juni 1519. Amrhein 1882, 92 und 213 8 Amrhein 1882, 50, FN 47 9 Die buchstabengetreue Transkription aus der Abschrift ergibt eindeutig die Bezeichnung „Notbrechtkapelle“ Eine solche ist aber allseits in Obernburg unbekannt. Eine Bewertung im Kontext ergibt: Hier kann nur die „Noitburgiskapelle“ gemeint sein. Es liegt wohl ein originärer Abschreibfehler aus der fehlenden Originalurkunde vor. 10 Hier dürfte der Stifter des neuen St. Anna-Altars gemeint sein. Sein Name ist in der Urkunde nicht genannt. 11 Zusammengefasste Inhaltsangabe einer Urkunde 12 Die einschlägigen Matrikel der Universität Mainz wurden in den Wirren der Reformation allesamt vernichtet, die Matrikel von Paris sind nur bis zum Jahr 1494 erschlossen. Sehr intensive Recherchen in den Matrikeln von etwa 20 weiteren Universitäten blieben erfolglos. Koch, 2012, 43 13 Am 14. Februar und 21. März 1522 wird „Joanne Fabri [Johannes Obernburger], Kleriker der Diözese [Mainz], erstmals in den Reichsregisterbüchern in Wien als Priester und Kanzleischreiber bei Kaiser Karl V. erwähnt. Gross 1930, 34 und Koch 2012, 56ff 14 Koch 2012, 8f: Geburtsjahr, Lebensalter, Namensgebung, Titel und Persönlichkeit von Johannes Obernburger 15 Koch 2012, 49ff: Transkription der „Genealogia haeredum des hoffs zue Obernburg“ und Übersicht der Stiftshofpächter von 1469-1594 16 Koch 2012, 55ff 17 Koch 2012, 212ff 18 Koch 2012, 245ff
Anlage: Buchstaben- und zeilengetreue Abschrift des Regests.
Dechant u. Kapitel von S. P. u. A. zu Aschaffenburg er- wirken zwischen Johan Kulbrot, Pfarrer zu Obernburgk einerseits, und den Bürgermeistern und Rat daselbst andererseits in Streitigkeiten i. u. g. Sachen folgenden
Vertrag: 1. Wenn ein Glöckner zu bestellen ist, so mag der Rat zwei oder drei dem Pfarrer nach altem Herkommen vor- stellen, von denen dieser dann einen zu bestellen hat; haben sie nicht die Wahl unter so vielen, so sollen sie sich miteinander auf eine Person einigen, die für das Glöckneramt und anderen folgenden Sachen geeignet ist, „nemlich das derselb… das glockampt, die schule, die kinder vleyssigliche in der lare, guten sitten und tugenden zu lernen, dem rathe, gantzer gemeyne und dem gericht mit schreyben und andern notturfftigen handelun- gen wisse vore zu syn und außzurichten“; der betreffen- de soll sich gegenüber Pfarrer u. Rat gehorsam und gut- willig zeigen, dass alle Arbeiten zu ihrer Zeit ge- schehen und nicht die eine durch die andere behindert wird und niemand überlastet wird; man entschloss sich deshalb dazu, für alle diese Ämter eine Person zu bestellen, damit diese, während das Einkommen bei ge- teilten Ämtern sehr klein wäre, ein desto stattlicheres Auskommen hat und die Arbeit vollkommener machen kann, auch weil bei geteiltem Lohne nicht für jedes Amt so geeignete Personen zu bekommen wären; die Bestel- lung soll immer zu St. Martin erfolgen.
2. Mit dem neuen St. Anna-Altar in der St. Notbrecht- kapelle soll der Rat mit den Bürgermeistern dafür sor- gen, dass dem Pfarrer sein gebührliches Drittel von al- lem, was zu dem Altar gegeben wird, entrichtet wird und zu allem „stocken und kisten“ des gen. Altars, der Kapelle und der Pfarrkirche einen Schlüssel er- hält und die Rechnungen sehen und hören kann; was von den Einnahmen des St. Anna-Altar über die gemeinen Aus- gaben erübrigt wird, darf ohne des Stifts als „pastorn und erbhern“ Wissen und Willen nicht angegriffen wer- den. Hingegen soll der Pfarrer die gewöhnlichen Messen und „ferien“ und anderen Gottesdienst und die Pfarr- kirche, Kapelle und den neuen Altar fleissig versehen, halten und fördern und für „swester und bruder“ und alle Wohltäter beten; insbesondere soll er an St. Annen- tag oder einem gelegenen Tag, der den Freunden des Stifters anzuzeigen ist, in der Kapelle einen ständi- gen Jahrtag halten und auf St. Annentag an dem Altar eine gesungene Messe, wenn er Gehilfen hat, oder we- nigstens eine gelesene Messe mit einer Predigt und Er- mahnung an das Volk zu halten oder bestellen; er soll das Volk zu Andacht u. guten Werken anhalten und das ganze Jahr über bereit sein „offentlich in der kirchen“ „ob es gleych kalt ist“, Beichte zu hören, es sei denn, dass er es alten Leuten u. schwangeren Frauen zu gut, in der Stube oder Sakristei tut.
3. Er soll sich befleissigen, die Kinder zu rechter Zeit zu taufen, den Kranken und wer sonst es begehrt, und „darzu geschickt ist“ das Altarssakrament spenden und sie in Todesnot mit der hl. Ölung versehen, dass ihm kein Versäumnis vorgeworfen werden kann; dafür sollen und wollen alle seine Pfarrkinder, alt oder jung, die zu den Sakramenten gegangen sind, bei ihrem Tod ihm „ zu eynem testament geben und beczalen wie von alter herekommen ist“, jedoch soll er es mit jungen le- digen und armen Leuten “gutlich und zimlich halten“; versäumt er aber seine Pflicht, braucht man sol- chen Toten (d.h. die die Sakramente nicht bekamen) das gen. „testament“ nicht zu geben. Ist einer, der das Jahr über zu den Sakramenten ging, gestorben und zu Grabe getragen, soll der Pfarrer, wenn er nicht sowieso in der Kirche oder dabei ist, gleich zum Grabe gehen und Weihwasser über den Toten und das Grab sprengen und den Psalm de profundis mit den Collecten Pro defuncto und fidelibus sprechen. „So aber ein mensch dem andern auß andacht und hilff der sele weyther und meer nachthun lassen wolt, der soll sich mit dem pfarhern darueb sonderlich verdragen wie von alter herkommen ist“ (bezieht sich auf Seelenmessen)
4. Werden die Parteien in dem einen oder anderen Punkt uneins, sollen sie um Schlichtung beim Stift nachsuchen. Beide Parteien erhalten eine Urkunde.
S. [Siegel]: das Kapitel Gescheen zu Aschaffenburg uff donerstag nach Galli [23 Oktober] Anno domini 1516
Or. [Original] fehlt B. Liber IV (!) Cam. fol. 95v – 96v
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