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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Balthasar Weber, Ureinwohner von Obernburg/USA

Beim Suchen im Internet mit dem Suchbegriff „Obernburg + USA“ fand sich folgende interessante Geschichte von Barbara C. Thompson aus Florida unter der Überschrift “Forgotten Daughter” (vergessene Tochter). Sie berichtet von der Suche nach Balthasar Weber, dem Urgroßvater ihrer Großmutter.

Ihre Großmutter hatte der Autorin oft die Geschichte erzählt, wie Balthasar, ein in Bayern geborener deutscher Einwanderer 1847 einige hundert Meilen zusammen mit drei anderen Männern und einer Kuh von New York in die dichten Wälder von West Sullivan County zog, um hier den Ort Obernburg zu gründen. Seine Kameraden kehrten zurück nach New York um Frauen und Kinder zu holen, während Balthasar in der Wildnis zurückblieb und eine Hütte als künftiges Haus für seine Familie und seine Kuh erbaute.

Einige Wochen später kehrten die drei Männer in die Wälder um Obernburg zurück, zusammen mit Balthasars Kindern Barbara und Wilhelm und seiner schwangeren Frau Anna Maria. Wenig später gebar Anna Maria ihr drittes Kind, Maria Anna Weber, später Mary Ann genannt (die Großmutter der Großmutter der Autorin). Gemäß dieser Großmutter beanspruchte Mary Ann das Recht, als erstes Kind in Obernburg geboren worden zu sein. Sie prahlte auch mit einem Augenzwinkern damit, dass sie „nahe bei Gott war“, denn sie wurde wie Jesus „in einem Stall geboren“.

Als Mary Ann 17 Jahre alt war, verliebte sie sich in einen deutschen Lutheraner aus New York. Balthasar, ihr Vater, machte ihr klar, wenn sie keinen katholischen Mann heiraten würde, dann würde er sie von zu Hause verstoßen. Sie aber heiratete den Lutheraner und sah ihre Mutter und ihren Vater niemals wieder. Es führte zu einer doppelten Tragödie, denn Mary Ann’s Ehemann starb dreizehn Jahre später. Da es ihr unmöglich war zu ihren Eltern zurückzukehren und sie ihre fünf Kinder nicht alleine ernähren konnte, musste sie diese in ein Waisenhaus geben.

Die Autorin besuchte zunächst Obernburg/USA und suchte nach Spuren ihrer Vorfahren. Sie fand im Kirchenbuch von Pfarrer Rösch ihren Urahn Balthasar Weber als einen der ersten Pfarreimitglieder eingetragen. Weiter war erwähnt,  dass er für die erste Kirche Land gespendet hatte. Jedoch konnte sie aber, wie sie schreibt, das in alter deutscher Schrift Geschriebene nicht lesen.

In Obernburg suchte sie, leider vergeblich, auch nach Balthasars Grundstück bzw. Überresten seines Hauses. Ihre Oma hatte oft von Balthasars zweitem Haus, einem Steinhaus gesprochen. Sie hatte ihr auch erzählt, dass Mary Ann sich oft darüber beschwert habe, dass ihr Vater sie, ein kleines Mädchen von drei oder vier Jahren, gezwungen hatte, viele schwere Steine herbeizuschaffen, um die dicken Steinmauern des Hauses bauen zu können.

Im Friedhof von Obernburg/USA fand sie noch die Grabsteine von Balthasars und Anna Marias Gräbern. Gerne hätte sie hier Balthasar einige Fragen gestellt. „Wo war sein Haus? Was geschah mit seinen anderen Kindern? Warum war er nach Amerika gekommen? Hatte er ein glückliches und zufriedenen Leben?“

In einem Archiv der „Gazetteer of Sulivan County“ von 1872 fand sie Informationen, dass Balthasar ein Bauer mit 32 Acres war. Weitere Hinweise waren nicht zu finden.

Ihre Neugier war geweckt und nun wollte sie mehr wissen über Balthasar’s deutsche Heimat. Sollte er aus einer bäuerlichen Region gekommen sein, würde das Mary Ann’s Wissen über Obstbäume erklären, das sie wahrscheinlich von ihren Eltern erlernte. Sie hatte z. B. dem Großvater der Autorin geraten, lange Eisenstäbe in den Boden neben den Wurzeln der Apfelbäume zu platzieren um den Bäumen mehr Stärke beim Wachsen zu geben. Und ihr Opa hatte oft mit Mary Ann’s Können beim Veredeln von Pflanzen geprahlt. Er zeigte allen den Baum, an dem dank Mary Ann zwei verschiedene Apfelsorten wuchsen.

Laut dem erwähnten Eintrag im Kirchenbuch war Balthasar Weber aus Obernburg in Deutschland gekommen. Todesurkunden und auch Unterlagen des Einwanderungsbüros waren nicht mehr zu finden bzw. waren verbrannt. Die Autorin gab zunächst die Suche auf bis sie auf die Idee kam, im Internet nach einer englisch sprechenden Person in Obernburg am Main zu suchen (sie spricht kein Deutsch). Sie fand einen Geschäftsmann mit Namen Klaus Link, der ihr antwortete und ihr die Anschrift eines lokalen Historikers und der katholischen Kirchenverwaltung gab. Daraufhin schrieb sie zwei Briefe nach Obernburg ohne große Hoffnung auf Antwort.

Doch drei Monate später erhielt sie Antwort von Frau Bretzigheimer aus dem katholischen Pfarramt St. Peter und Paul. Der Brief enthielt eine Kopie aus dem deutschen Kirchenbuch, der Name Balthasar Weber war darauf gekennzeichnet. Sie bekam auch Informationen zu Balthasars Familie, die Namen seiner Mutter und seines Vaters sowie seiner Geschwister mit ihren Geburts- und Sterbedaten. Balthasar hatte noch einen jüngeren Bruder, Peter, der in Amerika im Jahr vor Balthasars Einwanderung verstorben war.

Valentin Weber wurde als Balthasars Vater genannt und auf einer zweiten Kopie fand die Autorin  auch noch die Namen von Valentins Eltern und Geschwistern sowie der Großeltern. Ihre hartnäckige Suche hatte urplötzlich Erfolg, denn nun „kannte“ sie ihre deutschen Vorfahren namentlich bis zurück in die Anfangsjahre des 18. Jahrhunderts. Das hatte sie nicht erwartet.

Beim weiteren Studium der Unterlagen fand sie auch eine Erklärung für Balthasar’s Fähigkeit ein steinernes Haus zu bauen, denn das Wort „Maurer“ stand in der Kopie hinter den Namen seines Vaters und seines Großvaters.

Zusätzlich erhielt die Autorin aus Obernburg Kopien aus einem historischen Buch. Sie fand darin auch Hinweise auf die damalige schützende, aber auch allgegenwärtige  Hand der katholischen Kirche im täglichen Leben und sie begann zu verstehen, was die Kirche für Balthasar bedeutet hatte und dass er über die Entscheidung von Mary Ann, einen Lutheraner zu heiraten, tief enttäuscht gewesen sein mußte.

Die Autorin schreibt zum Schluss: „Ich fand bei meiner Suche mehr als ein Andenken an meine Vorfahren, ich entdeckte den Mann Balthasar, seine Kirche, seine Familie, seinen Ort, seine Obstgärten, die Gewalt und die Ungewissheit der damaligen Zeit.“

Heinz Janson

 

 

 

Ausschnitte aus dem Kirchenbuch von Pfarrer Rösch