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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Roter Buntsandstein - ein prägendes Bauelement

Viele öffentliche Gebäude in Obernburg, wie zum Beispiel das Amtsgericht, das Finanzamt oder die beiden Kirchen sind aus rotem Sandstein gebaut. Auch die mittelalterlichen Türme mit den Resten der Stadtmauer oder Zierformen an verschiedenen Häusern bestehen aus diesem einheimischen Baustein. Vielfach findet man ihn aber ebenso bei zahlreichen Privathäusern. Er ist verarbeitet in den Grundmauern von Fachwerkhäusern, bei Treppen, Mauern oder Fenstereinrahmungen, bei gepflasterten Höfen oder neuerdings auch bei Verblendungen von Neubaufassaden. Beim Kriegerdenkmal, bei Grabmälern oder Bildstöcken wurden Sandsteine künstlerisch bearbeitet.
 

Heimische Vorkommen des roten Sandsteins
Jahrhundertlang war der rote Sandstein das Baumaterial, das unsere Vorfahren an den nahen Berghängen am Mainhöllenberg (hinter dem Möbelhaus Spilger), am Pfaffenberg, in der Buchhöhle, im Grund oder in der Gemarkung Steingrube an den Steilhängen des Stadtwaldes (Richtung Wörth) abbauten. Von diesen Steinbrüchen waren die Wege zu den Baustellen im Altstadtbereich recht kurz. Das war wichtig, wenn frühere Bauherren mit ihren von Pferden oder Ochsen gezogenen Lastkarren die schweren Bausteine herbeifahren mussten. Einfacher gestaltete sich das Verladen der Steine auf Lastkähne, die an den Steingrubenwiesen am Mainknie an der Wörther Gemarkungsgrenze anlanden konnten und das Baumaterial über größere Entfernungen wegtransportierten. Von dort holten die Römer schon vor 1900 Jahren viele Sandsteine aus den steil aufragenden Berghängen des heutigen Stadtwaldes, um Kastellmauern zu errichten, Weihe- und Grabsteine zu formen oder einfach Steinhäuser zu erbauen und Brunnen auszumauern. Später wurden dort Steine für den Bau des Aschaffenburger Schlosses (1605-1618) auf Lastkähne mit Hilfe von Holzkränen verladen. Deshalb heißt auch heute noch ein Geländestreifen auf den Mainwiesen entlang der B469 “Kranich”, was an die damals dort eingesetzten Kräne erinnert. Die in diesen Zeiten aufgeschütteten Abraumhalden verbreiterten den Abstand zwischen Prallhang und Fluss. Sie werden beim derzeitigen Ausbau der B469 zur vierspurigen Schnellstraße umgeschichtet und zur Verbreiterung des neuen Straßendammes verwendet.

Sandsteingewinnung und Verarbeitung als Broterwerb vieler Obernburger
Bis in die Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts verdienten sich viele Obernburger als Steinhauer in den Steinbrüchen oder in Werkstätten ihren Lebensunterhalt. Im Jahre 1924 übten in Obernburg Paul Benz, Otto Hain, Jakob Brand, Cornel Scholl, Virgil Reis I und Virgil Reis II, Felix Raups I und Jakob Schadt den Beruf des Steinhauers aus. In den Brüchen am Trischbach (nördlich des Möbelhauses Spilger) arbeiteten die Großwallstädter Familien Fecher und Finn.

Daneben betrieben in der Gemarkung Unterm Graben Jakob Brand zusammen mit Kornel Scholl und Franz Hofmann bis in das erste Drittel des 20. Jahrhunderts eigene Steinbrüche. Als in der Gründerzeit ab 1871 ein “Bauboom” in Großstädten, wie z. B. Frankfurt ausbrach und der rote Buntsandstein ein vielfach begehrter Werkstein wurde, gab es in Obernburg zuerst in der Lindenstraße, später in den heutigen Mainanlagen ausgedehnte Steinhauerwerkstätten. Dort wirkten kräftige Männer als Schröter, die Rohblöcke zerteilten oder andere, die man die Bossierer benannte. Sie richteten die Quader grob zu. Hier wurden aber auch viele Quader aus Mömlinger Steinbrüchen bearbeitet, weil die dortigen Sandsteine eine hochwertigere Qualität als die Obernburger Steine aufwiesen.

Die fertigen Fensterbänke, Zierelemente, Hausteine oder Stufen konnten am Flussufer schnell auf Mainschiffe verladen oder nach dem Bau der Eisenbahn (ab 1876) auf Güterwaggons am Bahnhof verfrachtet werden. In den Wintermonaten gab es wenig zu tun und der sonst relativ gute Verdienst im Akkord für die Steinhauer blieb aus. Dafür war in den wärmeren Monaten eine tägliche Arbeitszeit von zehn bis zwölf Stunden mit dem Holzklüpfel, dem Zweispitz oder der Zahnfläche üblich. Viele Steinhauer holten sich jedoch nach wenigen Arbeitsjahren mangels Schutzvorrichtungen die gefürchtete Steinhauerkrankheit, die Steinlunge, wurden Frühinvaliden oder starben in frühen Jahren.

Die Aufnahme von Christoph Spix zeigt die Arbeitsplätze der Steinhauer am Mainufer um 1900. Zu sehen sind die Steinhauerhütten, umfangreiche Steinlager und ein Ladekran für Lastkähne. Die Wasseroberfläche des noch nicht angestauten Mains lag deutlich tiefer als nach der Kanalisierung von 1926. Die letzte Steinhauerhütte wurde 1946 nach einem Hochwasser abgerissen.

Sandsteine als vielseitiges Baumaterial
Dass Sandsteine in früheren Zeiten selbst bei Abbrüchen begehrte Baumaterialien waren beweist die Tatsache, dass im 19. Jahrhundert beim Einlegen der Stadtmauern manche Obernburger Bürger ganze Abschnitte kauften oder gegen kostenlosen Abriss erwarben. Sandsteine wurden beim Bau von Gewölbekellern, als Grundmauern für Fachwerkhäuser, für Stallungen und Werkstätten gebraucht. Das Vieh wurde nämlich in gemauerten Ställen gehalten, da das Fachwerk aus Holz und Lehm der Feuchte nicht lange stand gehalten hätte. Auch die Räumlichkeiten von Handwerkern, wie die des Schmiedes, der mit Feuer zu arbeiten hatte, oder die des Müllers, der mit Wasser (z.B. Kochsmühle am Mühlbach) zu tun hatte, mussten mit Steinen errichtet werden. Obernburger Weingärtner vermauerten die Steine auch beim Terrassieren ihrer “Wingerter”, die sich von der Großwallstädter Gemarkungsgrenze über den Südhang bis nach Eisenbach hinzogen. Nach dem 2. Weltkrieg ersetzten allmählich Kunststeine den Naturstein bei Neubauten. Steinbrüche wurden aufgelassen, oft mit Müll verfüllt oder entwickelten sich zu Biotopen. Trotzdem konnte man auch in neuerer Zeit Abraumhalden von Steinbrüchen sinnvoll verwenden. So wurde das Material des früheren Jahnhügels (vor dem Pfaffenbergbruch in der Bergstraße) beim Bau der Schnellstraße zur Aufschüttung des Dammes verwendet oder der Parkplatz an der Stadthalle mit Abraum eines Steinbruches aufgefüllt.

Wie entstand der rote Buntsandstein?
Der in Obernburg anstehende rote Sandstein gehört der Schichtung des Mittleren Buntsandsteins, der sogenannten Miltenberger Schichtenfolge, an. Im Erdmittelalter (Trias) bildeten sich vor etwa 240 bis 250 Mio Jahren im heutigen Odenwald-Spessart-Gebiet bis zu 450 m hohe Schichten aus feinen Sanden. Im damaligen trocken-heißen Wüstenklima verfrachteten starke Winde, gelegentlich auch gewaltige Wasserfluten riesige Sandmassen in eine Beckenlandschaft. Nur ganz selten finden sich deshalb Fossilien, manchmal Tongallen oder Geröllhorizonte. In den folgenden 180 Mio Jahren des Muschelkalkmeeres, des Keupers, der Jura- und Kreidezeit wurden die Sandschichten von Meeren und anderen Ablagerungsschichten überdeckt. Sie gerieten in tieferen Schichten unter großen Druck und gewaltige Hitze und wurden so durch ihre tonigen und kieseligen Bindemittel zu Gestein “verbacken”. Die Eisenmineralien, die sich unter Meereswassereinfluss zu Eisenoxidhydraten wandelten, bewirkten dabei die rote Farbe.

West-Ost-Profil des fränkischen Schichtstufenlandes durch Unterfranken. Es zeigt verschiedene geologische Schichtungen. Links beginnt die Untermainebene bei Aschaffenburg.

Vor über 60 Millionen Jahren bahnte sich in der Erdneuzeit (Tertiär) eine geologische Entwicklung an, die den Buntsandstein wieder ans Tageslicht brachte. Der Oberrheingraben begann sich zu senken, gleichzeitig hoben sich seine Ränder. Die Sandsteinschichten kamen im heutigen Odenwald und Spessart im Verlauf von Millionen von Jahren zum Vorschein. Die Schichtungen lagen wegen der Hebungen aber nicht mehr waagrecht, sondern fielen schräg  nach Osten ab. Deckende Gesteinsschichten, wie z.B. der Muschelkalk, wurden abgetragen. Flüsse, wie bei uns der Main, erodierten und tieften ihre Täler ein.

In den Eiszeiten der letzten 600.000 Jahre verfrachteten die Gewässer die abgetragenen Gesteine in ihre Unterläufe und zerkleinerten sie zu Sand und Kies. Da aber in den Eiszeiten keine Vegetation die Berghänge vor der abspülenden Kraft der Regengüsse schützen konnte, lag oft der Sandstein frei. Dabei sprengte der lang anhaltende Frost das anstehende Gestein auf. Zahllose Steinblöcke trifteten auf dem im Sommer aufgetauten Dauerfrostboden wie auf einer Schmiermasse hinab in die Täler. So entstanden längs des Mains steile Berghänge. Unter dünnen Erd- und Verwitterungsschichten war der anstehende Sandstein leicht zu erreichen. In geschichtlicher Zeit wussten das die Menschen zu nutzen und bauten den Naturstein in Brüchen für vielfältige Zwecke ab.



Das königlich bayerische Wappen am Amtsgericht ist eine kunstvolle Steinmetzarbeit. Der Bau des Gebäudes wurde 1899 begonnen und lockte offensichtlich junge Steinmetze aus dem Pfälzer Wald zur Baustelle nach Obernburg. Einige von ihnen blieben in Obernburg und gründeten Familien, wie z.B. Philipp Schäfer I, Peter Burkhart, Karl Ratter oder Georg Gundal.

Helmut Wörn