Der Rohstoff zum Leinen (Flachs) wurde zum größten Teil in Obernburg angebaut. Noch heute erinnert die Flurabteilung Flachsäcker an den Flachsanbau. Der Rohstoff Flachs wurde nach der Ernte gedörrt, dann mit einer Flachs-Brechel gebrochen. Die gebrochenen Flachsfasern wurden von äußeren Bestandteilen frei gewaschen und gereinigt. Dieser Rohstoff wurde an einen Leinenweber in Lohnauftrag gegeben oder auch direkt veräußert. Die fertigen Erzeugnisse der Leinenweber konnten dann die Färber im Ort oder in der Umgebung aufkaufen und marktfähig verarbeiten.
Diese Arbeit nach handwerklichem Brauch verstanden die Klimmers so gut, dass sie mit ihren Produkten einen lohnenden Absatz hatten. In vorhandenen Aufzeichnungen ist zu sehen, dass mit den Ersparnissen landwirtschaftliche Grundstücke gekauft wurden, um eine für damalige Begriffe größere Landwirtschaft zu unterhalten.
Eugen Klimmer heiratete 1861. Der Ehe entsprossen sechs Kinder. Der älteste Sohn Emanuel wurde 1862 geboren, die älteste Tochter Amalie wanderte, wie viele andere in dieser Zeit, mit 22 Jahren nach Amerika aus.
Emanuel erlernte das Färberhandwerk in Aschaffenburg in den Jahren 1875 bis 1878, zu einer Zeit, als noch keine Eisenbahn dorthin führte. Er erzählte oft, dass er den Weg von Obernburg nach Aschaffenburg in drei Stunden zurückgelegt habe, wenn in Niedernberg alles mit der Fähre klappte und er gleich übersetzen konnte. Er sei von Obernburg bis Niedernberg auf der linken Mainseite gegangen, dann über den Main übergesetzt und auf dem kürzesten Weg nach Aschaffenburg gelaufen.
Nach seiner Lehrzeit ging er nach Miltenberg und war dort einige Jahre als Geselle tätig. Um seine Kenntnisse zu erweitern, ging er dann als Handwerksbursche auf die Wanderschaft und war unter anderem in Berlin, Hamburg, Fürth und Nürnberg tätig. 1890 kam er aus der Fremde zurück und arbeitete im elterlichen Betrieb mit. Um diese Zeit war jedoch die Blüte des Färberhandwerks vorüber. 1896 heirate Emanuel. In seiner Familie gab es vier Kinder. Emanuel betrieb eine kleine Landwirtschaft, die dann später von seinem Sohn Eugen fortgeführt wurde. Dessen Großvater, Eugen Klimmer, Färbermeister, Magistratsrat und Stadtkassier, verstarb am 5. Januar 1901.
Der Blaudruck Der Blaudruck ist seit dem 16. Jahrhundert gebräuchlich. Der Stoff wird zuerst mit Hilfe von Druckstöcken, den Modeln, bedruckt, die nicht in Farbe, sondern in einen aus farbabweisenden Substanzen bestehenden Papp (Blaudruckpapp oder Reservage genannt) eingetaucht worden sind. Nach dem Eintrocknen der bedruckten Motive oder Ornamente wird der Stoff (Leinwand, Baumwollstoff) dann blau gefärbt. Nach dem Färben des Stoffes entfernt man den Papp in einem Säurebad und die abgedeckten Stellen erscheinen weiß auf dem blauen Grund. Eigentlich ist also der Name Blaudruck ein Missverständnis, denn es wird nicht blau gedruckt, sondern blau gefärbt. Das letztlich weiß erscheinende Muster wird während des Färbens ausgespart.
Ende des Färberhandwerks Leider ist das Färberhandwerk wie viele andere auch um die Jahrhundertwende zum Erliegen gekommen. Grund dafür war, dass dem deutschen Chemiker Adolf von Bayer 1878 die erste künstliche Herstellung von Indigo gelang. Die BASF in Ludwigshafen warf diesen synthetischen Indigo 1897 zu einem sehr günstigen Preis auf den Markt. Diese Nutzung der Anilinfarben brachte einen radikalen Umbruch im Färberhandwerk. Die alten Farbstoffe verloren an Bedeutung, da man mit den neuen Farbnuancen erreichen konnte. Für die ländlichen Färber wurde das Arbeiten auch dadurch problematisch, weil viele kleine Tuchmacher vom Markt verschwanden und weil die Nachfrage nach Leinen wegen verfügbarer anderer Stoffe zurück ging. In der Textilindustrie des 19. Jahrhunderts wurde das Färben zunehmend in die Großbetriebe mit einbezogen. Lediglich der Blaudruck konnte noch in kleinen Werkstätten bis ins 20. Jahrhundert handwerklich betrieben werden.
Die Mode sorgt dafür, dass wenigstens noch in einem Teilgebiet der Färberei der natürliche Indigo eingesetzt wird: Beim Färben der Baumwollstoffe – Denim genannt – zur Herstellung der Bluejeans. Nur mit diesem Farbstoff kann man den gewünschten „verwaschenen“ Effekt der blauen Jeans erreichen, denn Indigo ist zwar lichtecht, aber weniger reib- und waschfest.
Zum Schluss ein paar „blaue“ Sprüche Der Ausdruck „Blau machen“ ist wohl auf die Färberzunft zurückzuführen. Er bedeutet, dass Stoff mit Indigo blau gefärbt wurde. Indigo ist im Farbbad zunächst gelblich. Erst an der Luft oxidiert er und ändert seine Farbe nach blau. Die Färber hängten den Stoff nach dem Färben an die frische Luft und ließen den Sauerstoff seine Arbeit machen, das „Blaue Wunder“ vollbringen. In der Zwischenzeit machten die Färber Pause.
Da dies üblicherweise montags geschah, sprach man auch vom sogenannten „Blauen Montag“. Die Färber benötigten zum Färben viel Urin, um den Farbstoff zu verküpen, also löslich zu machen. Die Färber gewannen diesen auf ganz einfache Weise: sie tranken viel Bier, da dieses bekanntlich sehr gut „treibt“. Man munkelt, dass daher auch der Ausdruck „Blau sein“ stammt.
Heinz Janson nach Unterlagen von Herbert Klimmer
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