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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Der Stiftshof

Der Stiftshof – das frühere Gut des Aschaffenburger Stiftskollegiums
Von der Mainstraße führt ein kurzes Gässchen zum Kirchplatz. Man betritt diesen Weg durch einen Torbogen oder einen Fußgängerdurchlass, über dem die Zahl 1551 auf das Jahr der Erbauung hinweist. Dieser Eingang ist eine der wenigen noch verbliebenen, einst wehrhaften fränkischen Torbögen in Obernburg. Der Torbogen mit dem Fußgängertörchen (dieses wurde bei einer Sanierung unfachmännisch erhöht und verbreitert) waren früher die einzigen Einlässe zum Stiftshof. Über dem Torbogen kündet die Zahl 1551 vom Jahr der Erbauung. Der Torbogen ist in städtischem Besitz und steht unter Denkmalschutz. Ebenso sind die benachbarten Häuser Mainstraße 5 und Mainstraße 9 und 11 auf der Denkmalschutzliste. Auf der Innenseite sind heute noch die Tordrehsteine für die Torflügel gut zu erkennen.

Stiftshof Eingangstorbogen3 Stifthof Torbogen_Jahreszahl
Stifthof Torangel oben+

Der Stiftshof als Großbauernhof im Altstadtbereich
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war hier die Einfahrt zum Stiftshof, der jahrhundertelang als Fronhof im Besitz des Aschaffenburger Kollegiatstiftes St. Peter und Alexander war. Zu dem ehemaligen stift’schen Gut (frühere Hausnummer 220) gehörten die heutigen Anwesen Mainstraße 5 (Klemens Platz), das rückwärtige Haus Mainstraße 7 und das Haus Mainstraße 9 und 11 (alle im Besitz der Familie  Reis) und die dazu gehörenden Nebengebäude in der Pfaffengasse bis zur Kirche. In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die im hinteren Teil des Stiftshofes stehende Zehntscheune, wo sich heute das Optikgeschäft „Brillen am Stiftshof“ befindet, abgerissen. Den Stiftshof konnte man früher nicht durchlaufen, da das Beinhaus des damaligen Kirchhofs und eine Scheune dieses viereckige Gehöft gegen Norden begrenzten.

Stiftshof Plan 1844

Dieser Ausschnitt aus dem Urkataster der Stadt Obernburg aus dem Jahre 1844 zeigt, dass den Stiftshof an der Maingasse als ein vierseitig abgeschlossenes Gut mit der Hausnummer 220. Die schräg schraffierten Gebäude stellten die Wohngebäude dar. Nebengebäude, wie Stallungen und Scheunen, wurden waagerecht schraffiert.

Stiftsbesitz mit langer Tradition in Oberburg
Im Jahr 1184 wurde das Dorf Overinburc erstmalig seit der Römerzeit urkundlich genannt. Das Aschaffenburger Stift ließ sich seinen Besitz der Pfarrei, von Wirtschaftshöfen und von Weinbergen in Obernburg durch Papst Lucius III bestätigen. So war es kein Zufall, dass der Stiftshof im „Pfaffenviertel“ neben der Kirche, dem Pfarrhof und Pfarrgarten lag.

Die Grafen von Bickenbach verkauften 1290 die Vogtei Obernburg mit all ihren Rechten und Pflichten für 600 Pfund Heller an das Stiftskollegium, so dass dem Stift nun auch die Rechtssprechungsgewalt zufiel. Nachdem das Stift aber Mühe hatte, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen, brachten die Obernburger 200 Pfund Heller von sich aus auf und bekamen für dieses Entgegenkommen mehrere Freiheiten und Rechte. Sie sicherten sich das Recht auf ihre Waldungen, Fischerei- und Weiderechte.

Rechte und Pflichten des Stiftshofbauern
Die Stiftsherren gaben einem stift’schen Schultheiß ihren Hof in langjährige Erbpacht. Der nun hatte eine Reihe von Rechten und Pflichten, wie aus einem Vertrag mit dem Dechant des Stiftskollegiums vom 19. Mai 1566 hervorgeht. Obernburger Hübner (Grundbesitzer) waren verpflichtet, bei ihm während der Ernte unentgeltliche Frondienste zu leisten. Außerdem mussten sie bei ihm die fälligen Abgaben und Pachtgelder für das Stiftskollegium abliefern. Dafür gab es eine besondere Zehntscheune.

Der Stiftsbauer führte Buch und leitete die Naturalabgaben nach Aschaffenburg weiter. Wenn bei den Hubgerichtstagen im Frühjahr und um die Weihnachtszeit über Zivilsachen Recht gesprochen wurde, waren die Aschaffenburger Gerichtsherren und ihre Bediensteten zu verpflegen und im Stiftshof unterzubringen. (Es sollten aber nicht mehr als zehn Pferde untergestellt werden dürfen!)

Der Stifthofpächter übernahm zusätzlich die Verpflichtung, Vatertiere (Faselvieh), wie Stiere, Eber, Ziegenböcke und Gänseriche für die Obernburger Viehhalter zu halten. Dafür stand ihm das Recht auf den kleinen Zehnt zu.

Die Erbpacht verhinderte die Zersplitterung des Stiftshofs 
Hofrat Dr. Kittel erwähnt in seiner 1876 erschienenen „Geschichte der Stadt Obernburg“ verschiedene Erbbeständer (Erbpächter) des Stiftshofes. 1361 übergab Contze Spete und seine Ehefrau Katharina den Hof an Voltze und Agnes Spede, später folgte Contzen Walther. 1578 bewirtschaftete Hans Obernburger, Patenkind des bekannten Johannes Obernburger, den Hof.

Stiftshof Kellereingang Reis1

Im Jahre 1544 wurde ein Neubau des Hauptgebäudes errichtet, worauf die Jahreszahl über dem Außenkeller der Familie Reis hinweist.

1720 nahm Johann Georg Cammer das Anwesen mit 112 Morgen (ca. 22 ha) in Erbpacht. Er zahlte 2000 Gulden für die Renovierung der Stiftskirche in Aschaffenburg und versprach die jährliche Lieferung von 20 Malter Korn, 12 Malter Spelz und 11 Malter Hafer an das Stiftskollegium. Zu dem Fronhof gehörte nämlich auch ein umfangreicher Grundbesitz, der im Gegensatz zu den üblichen Bauernhöfen nicht durch Erbteilungen zersplittert wurde. An den Besitz des Stifts erinnert heute noch der Flurname Fronthal und die Fronthaler Hohl oberhalb des Pfaffenbergs und der Brunnenstraße.

Der Stiftshof wurde verkauft
Nach der Auflösung des Mainzer Kurstaates und der Säkularisation des Kirchenbesitzes (1803) änderte sich die Situation. Johann Wilhelm Hofmann, eingeheiratet in die Cammer-Familie, wurde zum letzten Erbpächter des Hofes. 1823 verkaufte die Familie Hofmann den Stiftshof an den königlichen Hauptmann Schmittson aus Frankfurt, der das Gut nur durch Pächter bewirtschaften ließ. Die Familie Michael Schutz und Heinrich Rohe wohnten 1824 mit 16 Personen in den verschiedenen Häusern und wirtschafteten als Bauern dort.

Der Aschaffenburger Forstmeister Freiherr von Hertling kaufte bald darauf im Jahre1835 den bis dahin ungeteilten Besitz. Sogleich löste er die Verpflichtung für die Haltung der Faselviehhaltung an die Stadt ab, indem er ihr den Ochsenacker in der Hohlwiese und dem Lehmkautenacker sowie 600 Gulden überließ. Außerdem versteigerte Hertling die verschiedenen Gebäude und die übrigen Liegenschaften an einheimische Interessenten. Die zunehmende Enge in der damals noch von den Stadtmauern begrenzten Altstadt machen Zahlen aus Volkszählungen deutlich:

Im Jahre 1837 bewohnten vier Familien mit 26 Mitgliedern die ehemaligen Stiftsgebäude, 1852 schon acht Familien mit 35 Personen. Unter anderen wohnte auch Bürgermeister Peter Kreß, der den ersten Mainbrückenbau forcierte, von 1854 bis 1887 im späteren Kneiselshaus (Mainstraße 7).

Der Stiftshof wurde Gewerbehof
Anlässlich der Pflasterung der Mainstraße und des Stiftshofes 1909/10 wurde durch städtischen Grundstücksankauf der öffentliche Zugang zum Kirchplatz durch den ehedem abgeschlossenen Hof ermöglicht. Im Kriegsjahr 1917 erwarb Eugen Platz das Anwesen Mainstraße 5 von der Erbengemeinschaft Kolter und betrieb in den rückwärtigen Gebäuden eine Kleinlandwirtschaft.

 

Stiftshof Tankstelle Reis Mainstraße

Im Jahre 1922 kaufte der Elektromeister Luitpold Reis das Haus Mainstraße 9 und richtete sich ein Nebengebäude als Werkstatt ein. Vor seinem Elektrogeschäft stellte er eine Zapfsäule für Benzin auf, da der zunehmende Autoverkehr über die Mainbrücke auch Tankstellen brauchte.

Etwa ab 1933 vermietete die Familie Reis die leeren Stallungen an August Zöller, der dort bis 1954 Fahr- und Motorräder sowie Autos reparierte, bevor er eine neue Tankstelle mit Werkstätte in der Römerstraße (heutiges Torhaus) errichtete.

  Helmut Wörn