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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Von Hindernissen, Obernburger Bürger zu werden

Wer heutzutage innerhalb Deutschlands seinen Wohnsitz nach Obernburg wechseln will, kann sich am Einwohnermeldeamt innerhalb weniger Minuten als neuer Bürger anmelden. Auch EG-Ausländer brauchen, wenn sie einen Pass und eine Abmeldebescheinigung vorlegen, nur unbedeutend mehr Zeit. Ein Aufgebot zu einer Hochzeit zu bestellen dauert nur wenig länger.

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Dass es im Jahre 1834 nicht ganz so einfach ging, beweist eine mehrseitige Akte aus dem Stadtarchiv. Damals wollte man den Zuzug und die Verheiratung von mittellosen Menschen begrenzen.

 

Johann Ullrich Wörn aus Weil im Schönbuch im Königreich Württemberg stellte am 7. Februar ein „Ansäßigmachungs- und Verehelichungs-gesuch“ an den Stadtmagistrat Obernburg.

 

 

 

 

Er war in dem schwäbischen Dorf (bei Tübingen) am 28. Januar 1796 geboren, hatte den Beruf eines Rotgerbers gelernt und war am 12. Juni 1826 aus dem 3. Württemberger Infantrieregiment in Stuttgart entlassen worden.

 

Der für die damalige Zeit hoch gewachsene Mann („Signat“: 5 Fuß, 9 Zoll und 2 Linien groß“, heutige Körpergröße 1,50m + 0,27m + 0.006m = 1,77m, „Statur: mittel, Haare: braun, Stirn: breit, Augen: grau“) begab sich offenbar danach auf die Walz, wie es bei jungen Gesellen üblich war.

Er fand in Obernburg im Gasthaus "Zum Engel" des verstorbenen Metzgers und Wirts Balthasar Helm und seiner Witwe Magdalena in der Maingasse eine Anstellung. Im Jahr 1833 fasste er offensichtlich den Entschluss, die Tochter des Hauses, Sofia Helm zu heiraten und Bürger von Obernburg zu werden. Deshalb kümmerte er sich in einem umfangreichen Schriftverkehr darum, alle benötigten Dokumente aus seiner „ausländischen“ Heimat zu besorgen.

Am 7. Februar 1834 stellte er vor dem Protokollführer des Stadtmagistrats den besagten Antrag und legte dabei zahlreiche Dokumente vor: Seinen Geburts-Brief, einen Taufschein und die Bestätigung des Pfarrers über seine Konfirmation, den Abschluss der Schule, den Militärentlassschein und den Nachweis über die Pockenschutzimpfung.

Von der Braut gab er das Entlassungszeugnis aus der Werktagsschule, den Nachweis der Pockenschutzimpfung und den Religionsschein ab. Pfarrer Faulhaber hatte darauf ihre Kenntnisse über Glaubens- und Sittenlehre attestiert.

Am 5. Februar hatte der Rotgerbergeselle Wörn bereits in Miltenberg eine berufliche Prüfung abgelegt. „Daß heute dahier geprüft wurde, wird hiermit beurkundet, daß derselbe von der unterfertigten Prüfungs-Commission für vollkommen tauglich zur selbstständigen Ausübung der Rothgeberei anerkannt und erklärt worden sey.“

Offenbar hatte Wörn seine Gesuche gut mit den benötigten Dokumenten vorbereitet, so dass bereits am 7. Februar im Protokollbuch der „Beschluß“ des fünfköpfigen Stadtmagistrats festgehalten wurde, dass „nach Ausweis der gesetzlichen Vorbedingungen kein Hinderniß im Wege, sobald seine Entlassung aus dem königlich württembergischen Unterthans Verband von der betreffenden Behörde ausgestellt und den Consens zur Ausübung der Gerberprofession dahier durch ein legales Zeugniß vom königlichem Landgericht dahier beigebracht haben wird.“

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Am 15. Februar war bereits im Oberamt Böblingen im Königreich Württemberg ein Formular unterzeichnet worden, in dem der Gemeinderat in Weil bestätigte, dass „gedachter Johann Ullrich Wörn …. nicht verehelicht ist, er Württembergischer Staatsbürger ist und dass er im Ganzen 1140 Gulden besitzt, wovon 210 Gulden in Nutznießung bei den Eltern stehen.“

Oberamtmann Faber fügte noch handschriftlich hinzu, „dass seinem Austritt aus dem Staats- und Gemeindeverband kein Hinderniß im Wege steht, nachdem er seine Aufnahme in Baiern nachgewiesen.“

Nach Eingang aller Dokumente wurde dem Obernburger Neubürger am 5. März 1834 sein Ansäßigmachungs-, aber auch sein Verehelichungsgesuch vom Stadtmagistrat unter dem Bürgermeister Deckelmann endgültig genehmigt. Dass die damalige Bürokratie und das Beibringen aller Unterlagen nicht ganz billig waren, kann man an den vielen Gebührenvermerken mit den fälligen Gulden und Kreuzern ersehen.

Woern Wappen

 

 

 

Schließlich konnte der Gerbermeister Johann Ullrich Wörn am 7. April seine Braut Sophia Helm heiraten. Das Paar bekam drei Kinder: Theresia Sophia, geb. 1834, Max Josef, geb. 1836 und Anna, geb. 1838. Johann Ullrich starb im Jahre 1867, seine Frau Sophia 1894.

Sohn Max Josef baute die Gerberei in der Maingasse aus, Enkel Heinrich (1863-1955) erweiterte sie nach der Verlagerung in den Hof der Mainstraße 6 zu einer Lederfabrik. Seit 175 Jahren lässt sich somit der Familienname Wörn in Obernburg nachweisen.

(Siehe auch Obernburger Blätter, Heft 2, aus dem Jahr 2000).

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Maintor um 1830, nach einem Gemälde von Josef Michelbach

Vor dem früheren Maintor (gegenüber dem heutigen Gasthaus „Karpfen“) befand sich das ursprüngliche Gerbereigebäude der Familie Wörn direkt an der „Besch“. (Auf dem Bild oben rechts das Fachwerkhaus mit dem Treppenabgang zum Mühlbach.) Gerber benötigten viel Wasser zum Reinigen und Enthaaren der Häute und zum Herstellen der gerbsäurehaltigen Lohbrühe.

Woern Gerbereihof mit Lohegruben und Arbeitern

Vor dem Mainbrückenbau im Jahre 1890 wurde die Werkstatt abgerissen und die Gerberei, die speziell Sohlenleder herstellte, in den Hof der Mainstraße 6 verlegt.

 

Helmut Wörn