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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Einzug der Technik in die Getreideernte

 

Aufbauend auf dem Bericht „Getrei-deernte vor einem Menschenalter“ von Karl-Heinz Neeb in den Obernburger Blättern von 2006 soll hier nun die technische Weiterentwicklung aufgezeigt werden.

Bis Mitte der 1930er Jahre wurde Getreide nur mit dem Reff geerntet.

Dann kamen die ersten Mähbinder auch nach Obernburg. Sie konnten in einem Arbeitsgang das Getreide mähen und in Garben binden; eine riesige Erleichterung. 

Auch die Flächenleistung steigerte sich um ein Mehrfaches. Allerdings musste man das Feld umfahren können.

 

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Hatte man Glück, war das Nachbarfeld abgeerntet und frei befahrbar. Hatte man Pech, musste der Rand angerefft werden. Das bedeutete, dass wie früher an der ganzen Ackerlänge entlang eine Spur Getreide per Hand gerefft, mittels Sichel aufgenommen und zu Garben gebunden werden musste. Auch der Autor durfte als Kind Saalschen legen und mit zunehmendem Alter auch Garben binden. Und so ein Acker konnte lang sein. Überhaupt wenn beide Seiten angerefft werden mussten. Auch die Vorgewende (Wendeflächen auf dem Acker bei der Bewirtschaftung) mussten frei sein. Dann konnte es endlich mit dem Mähbinder losgehen. Zwei Pferde mussten mindestens vorgespannt werden, an hängigen Feldern sogar drei. Ab den 1950er Jahren übernahmen Traktoren die Zieharbeiten.

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Als Kind mit etwa sechs Jahren hatte der Autor mit dem Mähbinder ein „tolles“ Erlebnis, die Erwachsenen aber überhaupt nicht. Mein Vater hatte mit dem Erwerb eines Traktors ein Pferd abgeschafft. Auf dem sehr feuchten Boden wollte er aber beim Mähen keine Spuren auf dem Acker fahren. So lieh er sich ein Pferd von einem anderen Landwirt. Auf dem Feld gegenüber dem Spilgerkreuz sollte geerntet werden. Beide Pferde wurden vor den Mähbinder gespannt und das Abernten sollte losgehen.

Und wie es losging. Die beiden Pferde kannten sich nicht. Als sich der große Haspel des Mähbinders zu drehen und die Maschine zu rattern begann, war das zu viel für die Pferde. Sie waren nicht mehr zu halten. In gestrecktem Galopp ging es in Richtung Altmauer. Die Erwachsenen rannten hinterher. Der Mähbinder hatte Bodenantrieb und lief deshalb viel zu schnell. Die Mechanik konnte dies nicht aushalten und war total überfordert. Mit dem Erfolg, überall auf dem Weg lagen Schrauben und abgefallene Teile. Mit großer Begeisterung musste ich sie einsammeln. Erst im Bereich der jetzigen Baumschule Fischer konnten die Pferde eingefangen werden. Geerntet wurde an diesem Tag nichts mehr. Erst musste repariert werden. Von da an wurde nur noch der Traktor vorgespannt.

Mit dem Mähbinder konnte locker ein Hektar pro Tag und mehr geerntet werden. War das Getreide aber umgefallen, ging mit dem Mähbinder nichts mehr. Dann waren wieder das Reff und die alte Methode angesagt. Das dann aber oft tagelang.

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Die Mechanisierung der Getreideernte war mit den Mähbindern aber nicht abgeschlossen. Die ersten Mähdrescher kamen ab Mitte der 1950er Jahre auch in Obernburg zum Einsatz. Willi Vad aus der Unteren Wallstraße, später im Industriegebiet Weidig ansässig, kaufte einen MF (Massey Ferguson) mit ca. 2,80m Schnittbreite. Den nächsten beschaffte sich Josef Schmitt, einen Köla (Ködel&Böhm) mit 2,10m Schnittbreite. Und dann ab Anfang der 1960er Jahre ging es Schlag auf Schlag. 1965 gab es in Obernburg 20 Mähdrescher. In keiner Gemeinde weit und breit liefen so viele Mähdrescher.

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Mähdrescherliste Obernburg 1965

Englert Alois MF = Massey Ferguson

MF Massey Ferguson

Englert Erhard

Claas Columbus

Fischer Bruno

Köla, später Claas Matador

Hasselbacher Gottfried

Class Europa

Helm Karl

Class Europa

Hock Leo

Class Europa

Klimmer Herbert

Köla = Ködel & Böhm

Koch Albrecht

Köla

Koch Richard

Claas Columbus

Koch Willi

Köla

Krämer Leo/Stahl Franz

Claas Europa

Österlein Lorenz

Köla

Österlein Sebastian

Claas Europa

Reis Erich

Claas Columbus

Reis Valtin

Köla

Schmitt Josef

Köla

Stahl Hermann

Claas Columbus

Vad Heinrich

MF 186

Vad Ludwig

Köla

Vad Willi

MF später Claas Europa

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Wieder glaubte man, das Ideal in der Ge-treideernte erreicht zu haben. Aber nun gingen die Probleme erst richtig los. Wohin mit so einem Ungetüm, wenn es nicht gebraucht wurde. Der Mähdrescher kann den Winter über ja nicht im Freien stehen. Also baute man entsprechend große Maschinenhallen. Den Bauern im Ort fehlte aber der Platz hierfür. Deshalb entstanden in den 1960er Jahren überall in der Flur Feldscheunen/Maschinenhallen.
Bis auf eine Halle sind alle verschwunden. (Bild).

Solche Hallen bauten Bruno Fischer im Sand, Franz Stahl/Leo Krämer am Pflaumheimer Weg/Oberes Tiefental, Ludwig Vad am Pflaumheimer Weg im Lehmrich 6. Gewanne, Gottfried Hasselbacher am Oberen Neuen Weg kurz vor dem Altmauerweg, Albrecht Koch hinter dem Seffengrabenweg, Erich Reis am Oberen Neuen Weg/Windlückenweg, Willi Vad am Oberen Neuen Weg etwa gegenüber der heutigen Wendelinuskapelle (sie wurde Ende der 1980er Jahre von einem Gewittersturm umgeblasen und nicht wieder aufgebaut), Hermann Stahl an der Zufahrt zum Sportheim und Sebastian Österlein am Grundweg/Hohe Straße. Diese Maschinenhallen verursachten Kosten, die oft gar nicht einkalkuliert waren.

Waren nun alle Probleme gelöst. Oder?
Sehen wir uns einen Mähdrescher einmal genauer an. Was kommt beim Mähen aus dem Gerät heraus? Natürlich Körner und Stroh. Das Stroh wurde gepresst. Fast jeder Mähdrescher der ersten Generation hatte eine eigene Strohpresse. Zweifach gebundene Bündel wurden damit produziert, nicht zu vergleichen mit Pressballen richtiger Hochdruckpressen. Diese Presse am Mähdrescher war ein Störfaktor ersten Ranges. Immer wieder wurden Ballen nicht richtig gebunden. Jedes Mal führte das zu mehreren Minuten Stillstand. Ständig musste das Bindegarn neu eingefädelt werden und man hoffte, dass wieder ein fester Knoten zustande kommt. Aber es war eine Lösung in Sicht.

Ab etwa 1964 breitete sich der Ladewagen in der Landwirtschaft genau so schnell wie der Mähdrescher aus. So auch in Obernburg. Das Stroh konnte man auf Schwad (eine Reihe gemähten Getreides) auslassen. Und eine Person konnte eine Fuhre alleine holen, ohne jemand der die Strohballen gabelte und ohne eine Person auf dem Wagen, der sie setzte. Auch auf dem Bauernhof tat man sich leichter. Mittels Gebläse oder Gebläsehäcksler wurde das Stroh in die Scheune befördert.

Weniger Personen schafften mit dieser Technik ein Mehrfaches. Aber die Entwicklung war noch nicht abgeschlossen. Das so eingelagerte Stroh brauchte viel Stauraum. Deshalb setzten sich Jahre später immer mehr die Hochdruckpressen durch. Deren Ballen waren handlich und einfach zu setzen. Aber auch wiederum personalintensiv. Rundballenpressen und Quaderballenpressen bestimmen heute die Strohernte. Große Mengen können damit mit wenig Personal eingebracht werden.

Jetzt aber weiter mit den Körnern. Alle Mähdrescher aus der Anfangszeit hatten einen Absackstand. Vereinzelt konnte dieser auch als Körnertank genutzt werden. In der Regel wurden die damals üblichen 2-Zentnersäcke genommen. Diese Säcke waren im Handel Standard. Für die jungen Landwirte waren sie aber oft eine Herausforderung. Sie mussten diese schweren Säcke auf dem Rücken in den Getreidespeicher tragen. So manche Bandscheibe wurde da schwer geschädigt.

Große Mengen Körner, wie sie mit den Mähdreschern in kürzester Zeit anfielen, waren so nicht zu bewältigen. Die Lösung: Fast alle Mähdrescher wurde innerhalb der nächsten Jahre (um 1971) mit einem Körnertank nachgerüstet. Mit etwas handwerklichem Geschick konnte dies jeder selbst umbauen. Jetzt konnte auch die zweite Person auf dem Absackstand eingespart werden. Aber schon tat sich das nächste Problem auf. Die Transportwägen mussten nun korndicht sein. Mit Säcken und Decken versuchte man dies zuerst zu erreichen. Ein schwieriges Unterfangen. Eine kleine Ritze und das Getreide lief vom Wagen. Also wurden neue Wägen, möglichst gleich Kipper angeschafft. Und wieder wurde Geld dafür gebraucht. Wer einen größeren Traktor hatte, versuchte gebrauchte LKW-Anhänger zu bekommen und sie für den Körnertransport umzurüsten.

Als dann noch der Rapsanbau zunahm, verschärfte sich die Lage nochmals. Die kleinen, runden und glatten Rapskörner rieselten aus der kleinsten Ritze. Die Aufbauten der Anhänger mussten quasi „wasserdicht“ sein. Bei einem Entleerungsvorgang eines heute üblichen Großmähdreschers kommen in kurzer Zeit 5 Tonnen Getreide und mehr aus dem Körnertank.

Wohin kamen überhaupt die Körner? Früher wurde ein Teil eingelagert, der Rest wurde gleich an die Baywa verkauft. Auch die Knechtsmühle in Eisenbach nahm einiges an Roggen und Weizen an. Bis in die 1960er Jahre wurden die Säcke mittels Sackkarren auf die Waage gestellt und nach dem Wiegen in den Elevator gekippt. Dies war sehr mühsam und zeitaufwändig. Deswegen bauten die Baywa und auch die Knechtsmühle bald eine Annahmegasse. So konnte das Getreide direkt vom Wagen aus ausgeleert oder abgekippt werden. Die schweren Säcke verschwanden daraufhin schnell. Das Abliefern des Getreides war in der Erntezeit oft nervenaufreibend. Abends standen bis zu 50 Fahrzeuge vor der Baywa und wollten abladen. Oft dauerte es bis weit nach Mitternacht, bis alle abgeladen hatten.

Wer zu Hause Getreide einlagerte, beschaffte sich meist schon in den 1960er Jahren ein Körnergebläse. Viele Betriebe richteten sich entsprechende Lager ein oder stellten Silos auf. Zu dieser Zeit rentierte sich das Einlagern noch. Im Winter oder Frühjahr gab es einen besseren Preis. Einige Landwirte beschafften sich auch eine Trocknungsanlage. In feuchten Jahren ein Muss, damit Getreide länger gelagert werden kann. Heute sieht man schon von weitem die großen Silos der Betriebe Klimmer, Fischer und Koch.

Aktuell gibt es nur noch wenige Mähdrescher in Obernburg. Ein Großteil des Getreides wird von Lohnunternehmen gedroschen. Dies ist für viele Betriebe billiger als eine eigene Maschine.

Ein großer Mähdrescher mit zusätzlichem Rapsschneidwerk und reihenunabhängigem Körner-maisschneidwerk kostet deutlich über einer halben Million Euro. Die Schnittbreiten der ersten Mähdrescher lagen bei 1,80m – 2,10m. Schnittbreiten von 2,50 – 3m waren schon große Maschinen. Die heutigen Großmähdrescher haben 6m bis über 10m Schnittbreiten.

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Mähdrescher mit Erntewagen, Werksfoto Claas

Auch mengenmäßig hat sich gewaltiges getan. In den 1960er Jahren war man froh, 40 dt (Dezitonne, 1 dt = 0,1 Tonne = 100 kg) Getreide pro Hektar zu ernten. Heute rechnet man mit dem doppeltem und mehr.

Auch über den Getreidepreis muss etwas gesagt werden. Zur Zeit der ersten Mähdrescher war der Weizenpreis ziemlich stabil bei 40 DM pro Doppelzentner, heute dank EU haben wir die Dezitonne. Der Weizenpreis stieg bis in die 1990er Jahre auf 50 DM und mehr an. Dann wurde in der EU der Getreidepreis künstlich abgesenkt. Vor etwa 10 Jahren bekamen die Landwirte gerade noch 7,50 € für eine Dezitonne Weizen! Zurzeit liegt der Weizenpreis im Schnitt bei 14 € pro Dezitonne.

Erich Reis