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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Obernburgs Mühlen - Was wurde aus ihnen?

Obernburgs frühere Mühlen dienen heutzutage ganz unterschiedlichen Zwecken. Während die „Kochsmühle“ im Altstadtbereich als Sitz der Musikschule, Ort der Kleinkunstbühne oder als Ausstellungs- oder Vortragsraum für kulturell Interessierte ein fester Begriff ist, kennen Gastronomieliebhaber die andere „Kochsmühle“ im Weidig als das Lokal „Die Müllerei“. Die „Knechtsmühle“ an der Annakapelle gibt es bis auf wenige Mauerreste nicht mehr. Die an der Eisenbacher Straße 1 gelegene „Deckelmannsmühle“ hat noch ein funktionsfähiges Wasserrad. Die Mahlanlage ist aber schon lange abgebaut.

Mühlen waren wichtig für die Bevölkerung
Für die früher meist bäuerliche Bevölkerung waren die Mühlen lebensnotwendig: Mahlmühlen machten Mehl aus dem angelieferten Getreide. Ölmühlen pressten Speiseöl aus Raps, Leinsamen oder Bucheckern. Das Recht, Mühlen zu betreiben, lag im Mittelalter beim Grundherrn, d. h. beim jeweiligen Landesfürsten. Er gab das Recht weiter an Erbpächter, die dafür meist jährliche Fruchtgülden oder sonstige Abgaben zu leisten hatten. Obernburg hatte den Vorteil, dass die Wasserkraft der Mömling kurz vor der Mündung in den Main zum Antrieb von Mühlen genutzt werden konnte. Wegen des relativ geringen Gefälles (an der Deckelmannsmühle betrug es nur 90 Zentimeter) waren in allen Obernburger Mühlen unterschlächtige Wasserräder üblich. Im frühen Mittelalter lag vermutlich Obernburgs erste Mühle in der Nähe der heutigen Deckelmannsmühle.

Aus der Stiftsmühle wurde die Kochsmühle
Als das Dorf Obernburg um 1300 an das Aschaffenburger Stift St. Peter und Alexander verkauft wurde und damit in den Besitz des Mainzer Erzstifts überging, sollte Obernburg nach der Stadterhebung mit einer Befestigung versehen werden. Notwendig wurde damit auch der Bau einer Mühle im Bereich der Befestigungswerke. Dazu war die Anlage eines drei Kilometer langen Mühlgrabens nötig, der an der Wehrinsel in der Flur Hartmannswörth das Bachbett der Mömling verließ, später als zusätzlicher Wehrgraben entlang der östlichen Stadtmauer verlief und unterhalb des Gumpenturms in den Main mündete. Südlich des Maintores entstand die neue Stiftsmühle (5), die mit ihren Steinmauern in die Stadtmauer integriert wurde.

Beim Bau des Mühlgrabens mussten die Obernburger ebenso Frondienste leisten wie beim Bau der Stadtbefestigung. Die bisherige Mühle außerhalb der Stadt wurde aufgegeben. Weil sie aber dem Stift erbzinspflichtig war, gehörte auch die neue Mühle dem Aschaffenburger Stift und wurde von diesem als Erblehen verpachtet. Die ersten Müller waren die Herren von Gonsrode. Sie betrieben die Mühle über 200 Jahre in Erbpacht.

Mühlbachverlauf mit Mühlen

Als diese Familie im 16. Jahrhundert ihre Abgaben nicht mehr zahlen konnte, vergab das Stift die Stadtmühle an nichtadelige Müller. Eine große Rolle in der Geschichte der Obernburger Mühlen spielte die Familie Mott. Der im Jahre 1750 in Schippach geborene Michael Mott heiratete 1775 die Tochter des bis dahin tätigen Stiftsmüllers Johann Adam Ball und wurde bald neuer Erbbeständer (Pächter). Im Jahre 1790 brannte die Mühle ab und Michael verlor seine Frau und vier Kinder. Er führte nun lange Prozesse mit dem Stift, wer die Kosten des Wiederaufbaus zu tragen hätte.

Sein Sohn Paul Mott verlor nach langen Jahren endgültig den Prozess und musste die Mühle auf eigene Kosten wieder aufbauen. 1838 erbte Sohn Kaspar Mott die Mühle. Dieser verkaufte sie im Jahre 1883 an Leo Kneisel. Ab dieser Zeit hieß die Stadtmühle nicht mehr „Mottmühle“, sondern „Kneiselsmühle.“ Kneisel erbaute bald darauf an dem mainseitigen Ufer des Mühlbaches eine Sägemühle, die bis in die 1920er Jahre arbeitete. Der letzte dort tätige Müller hieß Michael Koch.

Kochsmühle alt mit Mühlbach und Sägemühle

Die alte Kochsmühle mit Mühlbach
und bei der Verfüllung des Mühlbachs.

Kochsmühle alt von Brücke aus
Kochsmühle Mühlbach wird zugefüllt
Kochsmühle Michael Koch der letzte Müller

Als in dieser Zeit der Main durch die Staustufe Wallstadt angestaut wurde, ging das nötige Gefälle für das Wasserrad verloren und die Wasserrechte wurden von der Rhein-Main-Donau-AG abgelöst.

Deshalb verkaufte 1926 Michael Koch (Bild links) das Gebäude an die Stadt Obernburg. Koch gab so der „Kochsmühle“ einen bleibenden Namen, obwohl er sie nur wenige Jahre betrieben hatte. Die Stadt nutzte das Mühlengebäude daraufhin für Wohnungen.

Kochsmühle alt Seite Almo

Bei der grundlegenden Umgestaltung der bis 1985 sehr heruntergekommenen Gebäudeteile hielt der Stadtrat an dem Namen „Kochsmühle“ fest. Das aufwändig sanierte und erweiterte Bauwerk wurde seit seiner Fertigstellung im Jahre 1988 in Obernburgs Kulturszene zu einer markanten Anlaufstelle.

Kochsmühle 2009 vom Museum her
Kochsmühle nach Umbau von Karpfen aus

Die Knechtsmühle als erstes Elektrizitätswerk Obernburgs

Die Mühlenunternehmerfamilie Mott baute 1826 eine neue Mühle an der Annakapelle. Paul Mott, der mit seinem Vater lange Zeit um den Wiederaufbau der Stadtmühle gekämpft hatte, errichtete mit seiner Ehefrau Maria Anna ein Gebäude mit einer Mahl- bzw. einer Ölmühle und mehrere landwirtschaftliche Bauwerke. Ab 1847 erweiterte sein Sohn Thaddäus den Betrieb durch eine Gipsmühle, eine Weinbrennerei und ein Gerbhaus. Außerdem vergrößerte er das Vermögen durch allerlei Grundbesitz. Die Pferdezucht und seine Kaufsucht brachten ihn jedoch an den Rand des finanziellen Ruins. Seine Erben ließen ihn entmündigen.

Im Jahre 1888 kaufte der Bäcker- und Müllermeister Heinrich Knecht aus Eisenbach den Besitz und aus der „Mottmühle“ wurde die „Knechtsmühle“. Ab 1912 lieferte die mit einer Turbine und einem Generator modern ausgestattete Mühle den ersten Strom für Obernburgs Haushalte. Als Konzession musste sie die für die Obernburger Mainbrückenbeleuchtung nötige Elektrizität liefern. Da die erzeugte Strommenge stark vom Wasserstand abhängig war, flackerten die ohnehin schwachen Birnen sehr oft. 1922 war diese Zeit vorbei, als die Stadt mit der Kreis AG Unterfranken einen neuen Stromliefervertrag vereinbarte.

Als in den 1950er-Jahren viele Mühlen ihren Betrieb einstellten, weil Großmühlen rationeller arbeiteten und die Zahl der Kleinbauern als Getreidelieferanten und Mehlabnehmer abnahm, hielt der letzte Müller Hermann Knecht den Mühlenbetrieb noch bis 1968 aufrecht. Er starb 1972, und auch diese Mühle wurde ein Opfer des Mühlensterbens. Im Jahre 1975 wurden die meisten Gebäudeteile bei der Verlegung der Abwasserkanäle im Mühlbachbett abgerissen. Nur noch ein kleiner Rest der „Besch“ vor der Annakapelle blieb erhalten.

Knechtsmühle um 1920 Knechtsmühle mit Mühlbach Richtung Annakapelle
Knechtsmühle und Mühlbach vor Abbruch
Knechtsmühle Wasserauslauf

Die Deckelmannsmühle - Nostalgie am Mühlbach

Im 19. Jahrhundert war der Mühlenbann längst vergessen. Gewerbefreiheit und freies Unternehmertum lockten Investoren in das offenbar lukrative Geschäft mit den Mühlen. So baute der Stockstädter Müller Michael Anton Dölzer 1868 an der Kreuzung nach Eisenbach eine neue Mühle mit landwirtschaftlichen Gebäuden. Allerdings erfüllten sich seine Erwartungen nicht und er geriet bald in Zahlungsschwierigkeiten. Der Privatmann Franz Alexander Wagner aus Klingenberg übernahm 1874 das Anwesen.

Noch im gleichen Jahr kauften Balthasar Deckelmann und Heinrich Ritter aus Elsenfeld den Besitz zu gleichen Teilen. 1914 wurde Franz Deckelmann Alleineigentümer und gab damit der Mühle seinen Namen. 1968 übernahm Theresia Koch, geb. Fischer als Erbin des kinderlos verstorbenen Ehepaars Franz und Anna Deckelmann die Mühle. Sie hatte in der schlechten Kriegs- und Nachkriegszeit mit ihrer uneigennützigen Art so manche Not gelindert. Die kleine Lohnmühle, die gegen Bezahlung das angelieferte Getreide zu Mehl und Kleie verarbeitete, hatte aber im harten Konkurrenzkampf bald keine Chance mehr und wurde 1970 von den zwei Söhnen Leo und Richard Koch stillgelegt.

Deckelmannsmühle Front Deckelmannsmühle Leo und Richard
Deckelmannsmühle Mühlrad

Heute pflegen beide liebevoll und sorgfältig das Andenken an die vergangene Mühle mit dem noch immer gängigen Wasserrad.

Östlich dieser Mühle fließt heute der Mühlbach in die Mömling. Das weitere Bachbett in Richtung Stadt und Main wurde beim Bau der Umgehungsstraße aufgelassen.

Deckelmannsmühle von hinten

„Die Müllerei“ - ein moderner Gastronomiebetrieb

Die heutige „Müllerei“, ehedem „Kochsmühle im Weidig“ verdankt ihre Erbauung einem Mitglied der Mott-Familie. 1862/63 erstellte Philipp Mott die Mühlengebäude, aber er musste sie bereits 1864 wegen finanzieller Probleme an Heinrich Schott aus Eisenbach verkaufen. Auch der konnte den Besitz nur kurzfristig halten. So kam das Anwesen 1877 an den Müller Michael Castritius aus dem hessischen Reinheim. Sein Sohn verkaufte es 1926 nach einem Brand an Michael Koch, der gerade die Stadtmühle = Kochsmühle der Stadt übereignet hatte. So erhielt auch die neu erworbene Mühle den Namen von Koch. Sein Enkel Franz Koch arbeitete mühsam noch bis 1995 in dem umfangreichen Mühlenanwesen.

Kochsmühle Weidig 1960 oder früher

Dieses Bild von Günther Koch zeigt die Mühle um 1960.

Kochsmühle im Weidig Familie Koch

Familie Koch: Adam, Katharina, unbekannt, Emilie, Franz

KochsmühleWeidig Mühlradhaus

Nostalgie 2009 - Übergang über den Mühlbach

Nachdem die Eisenbacher Familie Schandel ihre inzwischen erworbenen Besitzrechte an Steffen Arendt und Anja Taudte verkauft hatte, bauten die neuen Besitzer mit vielen Ideen und großem Engagement das gut erhaltene Mühlengebäude zu einem vielseitigen Gastronomiebetrieb um. Beide eröffneten 2007 das Lokal „Die Müllerei“. Nur knappe zwei Jahre bewirtschafteten sie selbst ihre Gaststätte. Seit dem 1. Mai 2009 steht der „Event- und Erlebnisgastronomie-Betrieb" unter der Leitung der Pächter Harald Heigel und Barbara Alexander.

Kochsmühle 2007 Müllerei

Die Kochsmühle = “Die Müllerei” im Jahr 2009. Rechts das alte Wohnhaus und das Müllereigebäude.

Helmut Wörn

Quelle: Leo Hefner, Die Kochsmühle und die neue Altstadt 1988