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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Ochsenstall und Ochsenkrieg

Bekanntlich lastet auf dem sog. Stiftschen Frohnhofe dahier, welchen Herr Hauptmann Schmittsohn vom Stifte und Herr Forstmeister von Hertling zu Aschaffenburg von Herrn Hauptmann Schmittsohn zu Frankfurt am Main wieder erkaufte und welcher Hof cirka 116 Morgen Land hatte, die Verbindlichkeit, dass der Besitzer für die Haltung und Herschaffung des nötigen Faselviehes (1) sorgen musste, und zwar nach einem alten Weissthume (2) sab. Nr. 4 heisst es:

     “Auf dem Hof soll sein Faselvieh in Genüge, Ochsen, Steer, Eber,
     Bock und Gansert als viel man deren bedarf, darum hat das
     Stift den kleinen Zehnt!” (3)

Im Zuge der Befreiung der Bauern aus den herrschaftlichen Bindungen im 18. und 19. Jahrhundert wünschte auch die Stadt Obernburg die Zerschlagung des Fronhofs, den der Forstmeister Freiherr von Hertling aus Aschaffenburg erworben hatte.

Mit dem Erwerb des Stifts durch Hauptmann Schmittsohn und dem Weiterverkauf an Forstmeister Freiherr von Hertling gingen auch die Rechte und Pflichten aus dem Hof über.
Zur Ablösung des Fronhofs schlossen “Bürgermeister Deckelmann, sodann die Magistratsräte Bock, Reis, Ackermann und Klimmer” für die Stadt vorbehaltlich der Zustimmung des Magistrats und der Anwalt v. Herrlein mit Vollmacht des Forstmeisters Freiherrn v. Hertling am 6. Mai 1835 folgenden Vertrag:

“Der kgl. Herr Forstmeister Freih. v. Hertling hat lt. des am 17. März d. Js. beim kgl. Landgericht Obernburg bestätigten Vertrages den stiftischen Erbbestandshof den s.g. Fronhof zu Obernburg nach abgelöstem Obereigentum von dem bisherigen Besitzer dem kgl. H. Hauptmann Schmittsohn erkauft, und besitzt denselben als freies Eigentum. Auf diesem Hofe haftet die Last, das erforderliche Faselviehe für die Stadt Obernburg anzuschaffen und zu unterhalten.
Da der genannte Herr Forstmeister Freih. v. Hertling gesonnen ist die gedachte Last der Faselviehhaltung abzulösen, so hat derselbe mit der Stadt Obernburg folgenden Vertrag abgeschlossen:

  1. Die Stadt Obernburg gibt den kgl. H. Forstm. v. Hertling von der Last das Faselvieh für die Stadt Obernburg anzuschaffen und zu halten frei, und übernimmt diese Last selbst.
  2. Der kgl. Herr Forstmeister von Hertling überlässt dagegen der Stadt Obernburg eigentumlich 17 Morgen Land von dem Fronhof, nämlich

a)

b)

c)

d)

den zu dem Fronhof gehörenden Acker, die sogenannte Lehmkaute und zwar vom Frondelsgrabenpfad bis zur Höllenstaffel,

einen Teil des sogenannten Ochsenackers. Es soll nähmlich die Lehmkaute auf Kosten des kgl. H. Forstmeister Freih. v. Hertling gemessen werden und hiernach von den sog. Ochsenacker vom Main anfangend soviel dazugemessen werden als nötig ist, um die Zahl von 17 Morgen zu ergänzen.

den dritten Teil des kleinen Zehntes auf der Markung von Obernburg, welchen bisher der Besitzer des Frohnhofes zu beziehen hatte.

Eine Summe von Sechshundert Gulden baren Geldes. ..... ”

Das zum Stiftshof gehörende Feld wurde nun vertragsgemäß parzellenweise versteigert und die Stadt Obernburg übernahm die Verpflichtung zur Vatertierhaltung. Und diese Verpflichtung aus dem Vertrag von 1835 beschäftigt bis heute regelmäßig den Stadtrat.

Bis zum Jahre 1876 wurde die Haltung des Faselviehs jeweils verpachtet. Die Stadt leistete für diese Haltung 224 Gulden Baraufzahlung und überließ zur Nutzung 10,258 Tagwerk Feld und Wiesen. Da es immer wieder zu Klagen über ungenügende Haltung des Faselviehes kam, beschloss der Magistrat, die Bullenhaltung in eigener Regie zu betreiben. So wurde dann um 1876 der Ochsenstall in der Unteren Wallstraße gebaut. In diesem wird heute ein Künstlercafé, das “Buntsteinbogenhaus”, betrieben. Auch dieses beschäftigt regelmäßig den Stadtrat wegen der von dort bei Veranstaltungen  für die Anlieger ausgehenden Lärmbelästigungen.

Am 19.12.1896 behandelte der Magistrat das Problem Faselviehhaltung im Hinblick auf die Ziegenzucht. “Es wurden nun seit undenklichen Jahren aber nur 2 Faselochsen und 2 Eber gehalten, die übrigen Viehstücke wurden nicht verlangt.” (4) Nachdem dies bereits in der Urkunde im Jahre 1835 festgestellt wurde, hat der Magistrat die Verpflichtung zur Haltung von Ziegenböcken nicht anerkannt.

In der Folgezeit wurde von den Tierhaltern im Einzelfall ein sog. “Sprunggeld” als Unkostenbeitrag erhoben. Die Kosten für die Vatertierhaltung als solcher trug die Stadt. Als der Stadtrat am 4.1.1961 die Deckumlage neu festsetzte und von den betroffenen Landwirten einforderte, kam es zum sogenannten “Ochsenkrieg”.

Gegen den Bescheid über die Deckumlage und den ablehnenden Widerspruchsbescheid des Landratsamts erhob deshalb der frühere Obmann der Landwirte Leo Hock im Interesse der betroffenen Obernburger Landwirte Klage beim Verwaltungsgericht.

Die Klage wurde im wesentlichen damit begründet, dass durch den Vertrag von 1835 eine Zweckbindung auf dem Grundstück ruhe und sich die Stadt so behandeln lassen müsse, als sei sie noch Eigentümer des gesamten Grundstücks. Ab 1879 waren aus der Lehmkaute immer wieder Flächen für den Wohnungsbau oder für Gartennutzung abgetreten worden. Auch der ehemalige Festplatz und die Stadthalle sind auf dem Vertragsgelände entstanden. Die Stadt sei verpflichtet, einen für Baugelände angemessenen Erlös für die Vatertierhaltung zu verwenden.

Das Bayer. Verwaltungsgericht in Würzburg hat der Klage nicht stattgegeben aus im wesentlichen folgenden Erwägungen:

  • die vertragliche Bindung ist gegenstandslos, da gesetzliche Vorschriften an die Stelle der vertraglichen Verpflichtungen getreten sind: Körgesetz von 1910, Tierzuchtgesetz von 1976, Bayer. Tierzuchtgesetz.
  • Der Vertrag von 1835 sei zu einer Zeit geschlossen, als Viehzucht in Deutschland noch keine öffentliche Bedeutung hatte. Die Haltung von Vatertieren erfolgte ausschließlich im privaten Interesse der Viehbesitzer.
  • Die Stadt habe einen mittleren jährlichen Pachtwert aus 17 Morgen landwirtschaftlicher Fläche der Vatertierhaltung zugeführt und nur den nicht gedeckten Aufwand als Deckumlage erhoben.

Ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde durch den Bayer.Verwaltungsgerichtshof verworfen.

Nachdem dieser Streit noch für Schlagzeilen gesorgt hatte, flammte der Ochsenkrieg ohne große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit im Jahre 1987 wieder auf. Diesmal ging es um die Gleichbehandlung von künstlicher und natürlicher Besamung, um Rinder- und Schweinezucht und um die Einbeziehung der Eisenbacher Landwirte. Obernburg hatte landkreisweit einen überdurchschnittlichen Bestand an landwirtschaftlichen Betrieben, 1988 wurden an Zuchttieren z.B. 431 Rinder und 260 Schweine gezählt.

Nach Einschaltung aller möglichen Institutionen von Gemeindetag bis Bauernverband hat sich der Stadtrat dann auf einen Modus geeinigt, der eine möglichst gerechte Verteilung der der Vatertierhaltung aus dem Vertrag von 1835 gutzuschreibenden Beträge vorsieht. Die Stadt ist durch die gesetzlichen Vorgaben gehalten, die künstliche und die natürliche Besamung sicherzustellen. Dies ist z.B. durch Vertrag mit der für Nordbayern zuständigen Besamungsstation in Neustadt/Aisch geschehen.

Diese Kosten der Vatertierhaltung beschäftigen dann nahezu jährlich bei den Haushaltsberatungen den Stadtrat.

    Wulf Huke

Der frühere Ochsenstall
(später BuntSteinBogenHaus)
 



(1) Faselvieh: Fasel lt. Brockhaus: männl. Zuchtrind oder –schwein zum Besamen

(2) Weissthum: in gerichtsförmiger Weisung (Frage u. Urteil) wurden im Zusammenwirken von Herrschaft und Gemeinde die Gerechtsamen des Grundherrn festgelegt (Holzschlag, Jagd, Fischereirechte etc).

(3) Vorlage der Stadt Obernburg an das Kgl. Landgericht  vom 20. Juni 1835

(4) Vertrag vom 6. Mai 1835 über die Verpflichtung der Stadt Obernburg zur Haltung des Faselviehes