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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Obernburgs mittelalterliche Stadtbefestigung

Die Befestigung

Die Stadttore

Die Stadttürme

Die Stadtmauer

Das Maintor

Runder Turm

Der Zwinger

Das Obere Tor (Uhrturm)

Almosenturm

 

Das Untere Tor

Gumpenturm

 

 

Hexenturm

Die Mühle und die Wasserpforte

 

Täschenturm

Viele Besucher Obernburgs erfreuen sich an den noch sichtbaren Resten der bis zum Jahre 1860 noch völlig intakten mittelalterlichen Stadtbefestigung, den Toren, Türmen und Mauern, denen heute ein Hauch Romantik anhaftet. Das war früher für die Bewohner sicher ganz anders, denn um freies Schuss- und Verteidigungsfeld zu haben waren keine Anwesen außerhalb der Mauern erlaubt. Dadurch musste die Bevölkerung vom 14. bis ins 19. Jahrhundert eingeengt innerhalb der Stadtmauern mit ihren Haustieren zusammenleben. Die hygienischen Verhältnisse kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Darüberhinaus mussten sich die Bürger nicht nur ständig für den Verteidigungsdienst auf den Mauern und Türmen bereithalten, sondern auch mit Arbeitseinsatz und Abgaben helfen, die Stadtbefestigung zu erhalten oder weiter auszubauen.

Wie kam es zur heute noch sichtbaren Befestigung Obernburgs?
Erzbischof Peter von Mainz, der bei seinen Amtsgeschäften häufig durch Obernburg reiste, fasste am 23. Mai 1313 den Entschluss, den Ort wegen seiner strategischen Lage zu befestigen und zur Stadt zu erheben.  Dies konnte er aber nicht ohne die Genehmigung des deutschen Königs oder Kaisers tun. Sie wurde dann am 27. Juli 1317 von König Ludwig dem Bayern erteilt. Danach ließ Peter von Mainz zunächst Gräben, Wälle und Palissaden erneuern und die Tore verschanzen. Die vollständige Befestigung mit Mauern und Türmen aber unterblieb. Erst ein Nachfolger Peters veranlasste den Ausbau der Befestigung, indem er eine zweite vertiefte Umgrabung und einen Zwischenraum zwischen dem ersten und zweiten Graben erstellen ließ.

Nach Einführung der Schießgewehre und besonders der Kanonen reichte dann die Befestigung Obernburgs nicht mehr aus. Schon vorher mussten die schwachen Stellen der Mauern verstärkt und durch eingefügte Halbtürme besser geschützt werden. Unter Dieterich (Schenken von Erbach) und unter Diether (Grafen von Isenburg) wurden die Verteidigungsanlagen durchgreifend erneuert. Die Gärten und Stallungen, Scheuern, welche an die Stadtmauern angerückt waren, mussten soweit entfernt werden, dass man mit einem Wagen auf einem breiten Weg ("Zwinger" genannt) ringsum innerhalb der Stadtmauern herumfahren konnte. Diese Wege sind die heutigen Wallstraßen. Die Tore erhielten an ihren Zugängen krumme Torwege und Vortürme, damit die Tore nicht direkt mit Kanonen beschossen werden konnten.

Zwischen 1344 und 1347, nach der zweiten Genehmigung der Stadterhebung Obernburgs durch Kaiser Ludwig dem Baier, erfolgte eine verbesserte Instandsetzung der Wälle und Gräben. Die Mauern wurden drei bis vier Schuh dick (ca. 90-120 cm) erneuert und mäßig hohe Türme wurden erbaut.

Als Kurfürst Theodorich von Erbach 1440 befahl, dass alle Städte und Flecken im Maingelände besser befestigt werden sollten, fing man in Obernburg an, die Mauern zu erhöhen, die Gräben zu vertiefen und die Zwischentürme, die davor nur Halbtürme waren, voll auszubauen. In diese Periode fällt die Erbauung des oberen und unteren Torturmes und der Ecktürme auf der Mainseite.

In der Regierungszeit des Kurfürsten Uriel von Gemmingen von 1508 bis 1514 fiel dann ein weiterer Ausbau der Haupt-Stadttürme.

Die Erhaltung der Befestigungsanlagen in Bezug auf Wallgräben, Mauern, Türme und Schießwaffen, Pulver und Blei machte große Ausgaben nötig, die die Schulden der Stadt vermehrten, ohne jedoch hinreichend Schutz zu gewähren.

Um das benötigte Geld aufzubringen, wurden (ähnlich wie heute) immer wieder (neue) Abgaben erhoben:

  • Das Lagergeld von fremdem eingeführtem Wein und das Umgeld (Ohmgeld) von verzapftem Wein und später auch vom Bier wurde von der Stadt erhoben und zur Hälfte zum Bau und zur Unterhaltung der Festungswerke verwendet. Das Weggeld, von fremden Fuhrwerken und von Handelstieren an den Stadttoren erhoben, wurde in gleicher Weise zur Hälfte verwendet.
     
  • Die Erhebung des Geschosses, dessen Ursprung verschollen ist, erfolgte von allen Bürgern und Insassen, die im Stadtbezirk Liegenschaften hatten und den Stadtschutz genossen; es war zum Ankauf der Geschosse, Bliden (Katapulte auf den Türmen), Hackenbüchsen, Donnerbüchsen auf den Stadtmauern und Bollwerken (Vorwerken an den Toren und Ecktürmen), von Kugelsteinen, Bogen, Armbrüsten, Pfeilen, Spießen auf Mauern und Türmen bestimmt.
     
  • Im Jahre 1346 hatte die Stadt bereits einen Pilgerstock am Oberen Tor (Pilger hieß jeder fremde Reisende aus dem Stande der Gemeinen), d. h. einen Zollstock, bestehend aus einem hohlen Stamme oben mit eisernem Verschlusse, wie die Opferstöcke der Kirchen, worin die Pilger (Reisenden) je zwei Heller einwerfen mussten. Nach der jährlichen Öffnung und Zählung wurde eine Hälfte des Geldes der Stadt zum Zwecke des Festungsbaues zugewiesen.
     
  • Für die Benutzung der gepflasterten Römerstraße hatten die Kaufleute Pflasterzoll zu zahlen. Dabei gab es natürlich auch Verhaftungen und Streitereien mit den Fuhrleuten, die sich über die heutige Lindenstraße an der Stadt vorbei zu schleichen versuchten, um so den Zoll zu umgehen.

Alte Obernburger Stadtansichten und -pläne
Auf einer Karte von 1615 ist Obernburg mit Mauern und Türmen gezeichnet. Die Darstellung dürfte aber nicht dem echten Aussehen Obernburgs entsprechen.

Stadtbefestigung Obernburg älteste Ansicht 1615
Stadtplan Leutnant Haaß

Auch der Plan des Artillerie-Leutnants Haaß (links) von 1804 zeigt den Stadtplan nicht korrekt, denn es sind mehr Straßen als tatsächlich vorhanden eingezeichnet.

Stadtbefestigung Zeichnung altes Römermuseum

Ob die Stadt so ausgesehen hat, wie auf dieser Zeichnung, die im ehemaligen Römermuseum in der Mainstraße zu sehen war, ist ebenfalls fraglich.

Stadtbefestigung Katasterplan mit Nummern

Erst der Katasterplan von 1844 gibt eine realistische Darstellung Obernburgs. Die Stadt hat einen fast rechteckigen Grundriss von etwa 370 m x 210 m mit ca. 77.700 m² Fläche. Sie wurde gesichert von fünf Türmen: (1) Hexenturm im Nordwesten, (2) Gumpenturm im Nordosten, (3) Almosenturm im Südosten und (4) Täschenturm im Südwesten, an der Westseite der Stadtmauer zusätzlich vom (5) Runden Turm. Drei Zugänge hatte die Stadt: Das (6) Obere Tor oder Uhrturm im Süden, das (7) Untere Tor im Norden und das (8) Maintor.

Stadtplan mit Straßen und Türmen alt

Die Zeichnung von Peter Burkart zeigt die Stadtbefestigung und die damals vorhandenen Straßen.

Die Stadtmauer
Die 65 bis 90 Zentimeter dicke Stadtmauer hatte mit ihrem hölzernen Wehrgang eine Höhe von durchschnittlich 19 Schuh (1 Schuh = 0,288 m) = 5,50 Meter. Der Mauerring bestimmte vom 14. bis ins 19. Jahrhundert die Entwicklung Obernburgs.

Stadtobersekretär Becker schrieb 1912: "Zu Beginn des Jahres 1888 war Obernburg noch ganz mit einer Mauer umgeben durch die sieben öffentliche Durchgänge führten; infolgedessen war die Bautätigkeit sehr gehemmt und nur wenige Häuser standen außerhalb der Stadtmauer." Im Laufe der Jahre gab es dann immer mehr Gesuche von Bürgern an die Stadt, die Stadtmauern durchbrechen zu dürfen oder Gebäude außerhalb an die Stadtmauer zu stellen.

Becker schrieb weiter: "Am Ostersonntag, dem 30. März 1890, stürzte ein Teil der Stadtmauer am westlichen Stadtteil ein und von da ab wurde in den folgenden Jahren die Stadtmauer Stück für Stück eingelegt. Nun kam Licht und Luft in die Altstadt und die Bautätigkeit fand kein Hemmnis mehr, sich auch außerhalb der Altstadt zu entwickeln, so dass heute 81 Hauswesen außerhalb der früheren Stadtmauer stehen."

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war der Abbruch der Mauern bis auf einige kleinere Reste abgeschlossen. Das Abbruchmaterial wurden für die Vergrößerung des Schiffslandeplatzes und für die Friedhofsmauer verwendet. Außerdem wurden die Kapellengriesinseln am Main aufgefüllt und somit die Voraussetzung für die Anfang 1930 angelegte Mainanlage geschaffen.

Peter Burkart hat im Jahr 1994 die noch vorhandenen Reste der Stadtmauer und die innen liegenden Zwingermaueranlage aufgemessen. Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Mauerreste sind fast unbedeutend und stellen keinen umfassenden Einblick in die Befestigungsanlagen der Stadt dar.

Alle Bauteile sind in Bruchsteinmanier erstellt worden. Das Material ist roter Buntsandstein. Die Höhe der noch vorhandenen Stadtmauerreste sind unterschiedlich Der jetzige Mauerabschluss ist meist flach gehalten und mit Zementmörtel abgedeckt. Die Mauerreste (rote Striche in der Zeichnung) schließen an noch erhaltene Turmbefestigungsanlagen an.
 

StadtbefestigungMauerreste
Stadtmauer am Oberen Tor Richtung Täschenturm von oben
Stadtmauer Oberes Tor

Das 23,60 m lange, 5,60 m bzw. 3,40 m hohe und 0,90 m bis 1,30 m dicke Stück Stadtmauer zwischen Oberem Tor und Täschenturm ist das einzige noch einigermaßen original erhaltene Teil der Stadtbefestigung. Es fehlt jedoch der aus Holz gebaute Wehrgang.

Stadtmauer Almosenturm lang

Weitere Reste finden sich zwischen Almosenturm und Wasserpforte (44 m lang, 1,75 m hoch und 0,75 m dick) und am Unteren Tor Richtung Hexenturm (33 m lang, 3,85 m bzw. 3,10 m hoch und 0,60 m bis 0,90 m stark) und Richtung Gumpenturm.

Stadtmauer Unteres Tor Kindergarten
Stadtmauer Unteres Tor

Der Zwinger
Der Zwinger (unbebauter Zwischenraum zwischen Hauptmauer und Zwingermauer) zwischen Stadtmauer und Wohnbebauung führte im Katasterplan von 1844 noch keine Straßen- oder Gassenbezeichnung. Die Mauern sind wesentlich schwächer, ihre Stärke beträgt etwa 50 cm. Die Höhe geht nicht über das Maß von 2,25 m hinaus. Über die eigentliche Höhe der Zwingermauer können keine Angaben gemacht werden. Die Reste sind oftmals für Anbauten der dahinterliegenden Grundstücke benutzt worden. Die noch sichtbaren Reste in der Oberen Wallstraße sind in dem weiter oben gezeigten Stadtplan von 1994 mit blauen Strichen  gekennzeichnet.

Stadtbefestigung Zwingermauer

Die Stadttore

Das Maintor

Maintor um 1400

Das Bild  zeigt eine der noch erhaltenen Zwingermauern in der Oberen Wallstraße Richtung Täschenturm.

Das Maintor war der Zugang zum Main und später auch zur Fähre. Für die immer größer werdenden Fuhrwerke (Langholz, Steine), die ihre Fracht zur Schiffsanlegestelle bringen mussten, erwies sich das Tor als Hindernis, so dass es bereits um 1850 zu einer Bauruine geworden war und 1866 abgebrochen wurde.

Das Abbruchmaterial wurde für den Bau der Brückenrampe und den Erweiterungsbau der Pfarrkirche von 1890 verwendet.

Dieses Bild des Maintores (links) um 1400 befindet sich auf der Rückseite des im Rathaus aufgehängten Bildes (unten)  von Carl Richard, das das Maintor um 1850 zeigt.

StadtbefestigungMaintor ohne Oberteil Gemälde
Maintor Querschnitt und westliche Ansicht Maintor östliche Ansicht
Maintor Situationslageplan
Maintor Pfeilerplan Maintor Querschnitt

Nach dem Abbruch wurde kein Turm, sondern weiter in Richtung Main versetzt eine torähnliche Anlage erbaut; nur wurde hier kein Rundbogen errichtet, sondern man baute zwei gegenüberstehende Turmimitationen mit Zinnenkranz, die allerdings beim Bau der Mainbrücke 1890 bzw. der Brückenrampe entfernt wurden, so dass heute nichts mehr vom Maintor zu sehen ist.

Maintortürme Gerbereigebäude um 1880

Blick durch die Maintortürme um 1880 in die Maingasse. Vorne rechts Gerbereigebäude Wörn am Mühlbach, hinter dem linken Torturm Gasthaus "Karpfen".

Diese um 1850 entstandene Stadtansicht zeigt hinter der Stadtmauer die enge Altstadtbebauung. Links beginnend sind Runder Turm, Täschenturm, Oberes Tor und Almosenturm zu sehen.

Obg Stadtansicht 1850
Obg Stadtrelief mit Kastellumriss und Römerstraße alt

In diesem an der Ecke Römer-/Lindenstraße vom Rotary Club Obernburg aufgestellten Relief der heutigen Obernburger Altstadt ist die mittelalterliche Stadtmauer mit den zwei erhaltenen Toren und den fünf Türmen durch die schwarze Linie, die Lage und Größe des römischen Kastells durch die weiße geschlossene Linie und der Verlauf der „römischen Römerstraße“ weiß gestrichelt dargestellt.

Das Obere Tor (auch Uhrturm)

Obg Oberes Tor außen 2011
Obg Oberes Tor innen 2011
Obg Oberes Tor mit Treppe 2011
Obg Oberes Tor seitlich von Almoseite

Das schmucke Obere Tor in der Römerstraße, das den von Süden kommenden Besuchern der Obernburger Altstadt einen imponierenden Anblick bietet, ist als einziges der ursprünglichen drei Tortürme nach einigen Renovierungsarbeiten (unter anderem 1976 durch den Obst- und Gartenbauverein) noch in seiner ursprünglichen Form erhalten. (Die Bilder wurden 2011 aufgenommen.)

Obg Oberes Tor Klauensteine und Pechloch

Die heute als Durchfahrt genutzte 3,65 m breite Öffnung konnte früher mit einem massiven Tor und zusätzlich mit einem Fallgitter verschlossen werden. Sieben Führungsklauen des Fallgitters sind noch an der Außenwand erhalten.

Im Turminneren kann man einen Holzbalken erkennen, der als Lager für den Hubmechanismus des Fallgitters diente. Oben im Durchfahrtsgewölbe ist die Öffnung zu sehen, aus der Angreifer mit heißen Flüssigkeiten übergossen werden konnten.

Mit Beginn der Dunkelheit wurde das Tor geschlossen und spätere Heimkehrer oder Besucher konnten nur noch durch die daneben liegende kleine Pforte an der Mainseite von den kontrollierenden Stadtsoldaten eingelassen werden, die auch den Pflasterzoll erhoben.

 

Nach dem Abbruch eines Hauses wurde 1899 an Stelle dieses kleinen Durchgangs ein Durchgang durch die Stadtmauer erstellt. Um die Spannungsverhältnisse zwischen Mauer und Turm weiterhin zu gewährleisten, wurden links und rechts des Turmes Mauerteile erhalten. Der bergseitige Durchgang wurde erst nach 1945 geschaffen.

Obg Oberes Tor 1891
Obg Oberes Tor zwei Durchgaenge

Diese vier Bilder zeigen die zu verschiedenen Zeiten geschaffenen seitlichen Durchgänge.

Obg Oberes Tor Eingangspforte mit Mauer
Obg Oberes Tor rechter Durchgang
Obg Oberes Tor von innen mit Haus Ripperger alt

Der Zugang in das Turminnere war bis Ende des 18. Jahrhunderts von der Stadtmauer aus. Erst mit deren Abbruch wurde die 24-stufige Steintreppe an der Westseite notwendig.

Die mit einem Kragsturz versehene Eingangspforte durch die 1,15 m dicke Mauer (Bild links) markiert die Höhe des nicht mehr erhaltenen Wehrganges.

In seiner Befunduntersuchung vom August 1999 anlässlich Renovierungsarbeiten schreibt der beauftragte Restaurator Christian Giegerich: "Es kann davon ausgegangen werden, dass das ursprüngliche Bauwerk Oberes Tor im späten 13. Jahrhundert entstanden ist. Man kann sich dieses erste aus Stein errichtete Tor als ein etwa sieben Meter hohes Bauwerk mit Durchfahrt und einfachem Dach vorstellen, das auch Wehrfunktionen hatte.

Etwa um 1380 bis 1400 wurde auf diesem, immerhin sehr massiven Mauerwerk, welches inzwischen in den seit 1330 fortgeführten Mauerbering eingegliedert worden war, der Turm errichtet, der nach der Bauart der Gegend in dieser Zeit ein ‚Spatendach‘ gehabt haben könnte. Die Datierung für diesen zweiten Bauabschnitt ergibt sich aus dem Vergleich mit dem Sandtor-Turm in Aschaffenburg von 1380. Die Uhrzifferblätter des Oberen Tores, datiert 1523, könnten, wie es auch heute noch in anderen Städten am Main der Fall ist, zuerst am Mauerwerk angebracht gewesen sein, bevor sie an der Dacharchitektur von 1586 befestigt worden sind. Das Obere Tor war von Anfang an verputzt."

Als der Güterverkehr auf den Handelsstraßen immer mehr zunahm, die Fuhrwerke immer größer wurden, musste auch um 1841 die Durchfahrt vergrößert werden. Ein Abriss, wie beim Unteren Tor, wurde abgelehnt, denn historisch wertvolle Gebäude durften zu dieser Zeit nicht mehr abgebrochen werden.

Obg Oberes Tor Oberteil

Die mit Schiefer gedeckte markante Turmhaube mit dem abgewalmten Satteldach, der achteckigen Laterne, an der heute die Uhr angebracht ist (daher wird das Obere Tor auch Uhrturm genannt) und der haubenartigen Kuppel, wurde 1586 errichtet.

Der Turm wird gekrönt von einem vergoldeten Doppeladler.

Je ein großes vergoldetes Zifferblatt zeigt die Zeit stadteinwärts und stadtauswärts an.

 

In den Uhrturm wurde ein mechanisches Uhrwerk eingebaut. Die im 13. Jahrhundert erfundenen mechanischen Uhrwerke, die mit Hilfe von Gewichten angetrieben werden, ermöglichten mit ihren ausgetüftelten Zahnradsystemen und Zeigerwerken eine bislang unbekannte exakte Zeitmessung. Gekoppelt mit Glocken signalisierten sie jedermann auf dem Feld und in der Stadt, welche Stunde es geschlagen hatte.

Am unteren Zifferblattrand der Obernburger Uhr steht die Jahreszahl 1523, d. h. es ist eine sehr frühe Uhr. Leider bezieht sich das nur auf die Zifferblätter, das alte Uhrwerk ist nicht mehr vorhanden. Heute werden Zeiger und Glockenschlag durch ein 1925 von der Turmuhrfabrik Georg Rammensee in Gräfenberg/Oberfranken gebautes Uhrwerk angetrieben. Es kostete 1.159 Goldmark und wurde unter Bürgermeister Kommerzienrat Heinrich Wörn angeschafft.

Obg Oberes Tor Uhr ganz

Da das Rammensee-Uhrwerk um 400 Jahre jünger ist als die Zifferblätter, könnte es das 3. oder 4. Uhrwerk sein, das die alten Uhrzeiger antreibt. Das Uhrwerk steht in einem Raum unmittelbar über der Durchfahrt.

Der Antrieb der wesentlich höher angeordneten Uhrzeiger erfolgt über Wellen und Kardangelenke. Angetrieben wird das Uhrwerk von drei Gewichten (80 kg, 160 kg und 180 kg), die in der Eisengießerei Ripperger in Kleinheubach gegossen worden sind.

Obg Oberes Tor Uhrgewichte

Die Gewichte dienen für den Uhrwerkantrieb, den Viertelstunden- und den Stundenschlag. Einmal in der Woche müssen sie jeweils 15 Meter hochgezogen werden.

Die Glocken befinden sich in der Turmlaterne. Die große Glocke für den Stundenschlag wiegt 50 kg, die kleine für den Viertelstundenschlag 15 kg.

Obg Oberes Tor Edmund Ripperger beim Aufziehen

Das Untere Tor

Obg Unteres Tor alt_mit Text

Angetrieben werden die Schlaghämmer durch Drähte vom Uhrwerk aus. Dieses reagiert sensibel auf wechselnde Raumtemperaturen.

Edmund Ripperger, der die Uhr von 1945 bis 1956 und seit 1976 ehrenamtlich wartet und sie geschützt vor Schmutz mit einem Glaskasten umbaut hat, ist sehr stolz darauf, die Abweichung der Uhrzeit mit Geschick und Fachkenntnis auf kleiner als zehn Sekunden pro Woche halten zu können.

Herzlichen Dank Edmund!

Das Untere Tor, in dem zeitweise auch auf zwei Ebenen in vier Kerkerzellen das städtische Gefängnis untergebracht war, ähnelte einmal dem Oberen Tor, hatte wie dieses einen mehrgeschossigen Aufbau, allerdings keine Haube mit Uhr, sondern ein einfaches, seitlich gekröpftes Dach. Die Zeichnung (links) wurde 1788 aus Anlass der Erbauung des Gefängnisses im Turm erstellt.

Im Laufe seines Lebens entsprachen die Tordurchfahrtsmaße nicht mehr den größer gewordenen Fuhrwerken des zunehmenden Handelsverkehrs. Oft mussten Wagen abgeladen werden, manchmal mussten auch Pflastersteine herausgenommen werden, um eine Durchfahrt zu ermöglichen.

1837 stellte der Magistrat daher den Antrag, das inzwischen auch baufällig gewordene Tor ganz abzureißen.

Die königlich bayerische Regierung ließ zwar den Abriss zu, verfügte aber, dass danach eine neue Toranlage erstellt werden müsste, die dem Charakter einer umfriedeten Stadt gerecht werden sollte.

Daraufhin wurde das Untere Tor in seiner heutigen Form als eine einfache Rundbogentoranlage mit beidseitiger Turmimitation (1,68x1,68m) und Zinnenabschlüssen aus rotem Sandstein neu erbaut. Der Rundbogen überspannt eine Breite von 4,30 m.

Obg UnteresTor in den 1930er Jahrent

Blick stadteinwärts in den 1930er Jahren

Obg Unteres Tor 2011 stadteinwaerts
Obg Unteres Tor Reparatur

Reparaturarbeiten

Obg Unteres Tor 2011 stadtauswärts

Aktuelle Situation 2011, links Blick stadteinwärts, rechts stadtauswärts.

Die seitlichen Fußgängerdurchgänge wurden erst später angebracht. Der stadtauswärts rechte Durchgang am früheren Benefiziatengarten, jetzt Kindergarten, war bereits um 1900 vorhanden. Der andere Durchgang wurde erst in den späten 1950er Jahren angelegt.

Die Stadttürme
In seiner Geschichte der Stadt Obernburg von 1875 erwähnt Dr. Kittel, dass zwischen 1344 und 1347 zunächst nur mäßig hohe Türme (Halbtürme) erbaut wurden. 1440 begann man dann auf Befehl von Kurfürst Theoderich von Erbach mit der Erhöhung der bisherigen Halb- und auch der Tortürme. Die Baumaßnahmen dauerten bis in die Regierungszeit des Kurfürsten Uriel von Gemmingen (1508-1514) an. Dr. Kittel schreibt aber nicht, welche Maßnahmen wann und an welchen Türmen erfolgten, so dass Spielraum für viele Spekulationen bleibt, u. a. welcher Turm war zunächst ein Halbturm und welcher nicht.

Runder Turm
Der Runde Turm steht an der westlichen, also bergseitigen ehemaligen Befestigungsflanke an der Ecke Runde-Turm-Straße/Obere Wallstraße. Im Mittelalter gab es die Runde-Turm-Straße noch nicht, sie wurde erst Anfang des 19. Jahrhunderts gebaut. Warum hat man aber an dieser Stelle kein Tor, sondern einen Rundturm errichtete, während alle anderen Türme einen viereckigen Querschnitt haben? Stand der Turm evtl. schon vor der Erbauung der Stadtmauer und diente er vielleicht der Bevölkerung wie ein Bergfried als Zufluchtsort? Es soll auch einen unterirdischen Geheimgang vom Turm zu dem Brunnen Ecke Römerstraße/Runde-Turm-Straße geben. Warum ist der Turm mit seinen Fensteröffnungen und der Einmanntür auf der Stadtseite leicht verdreht in die gerade Stadtmauer eingebaut worden? Diese Fragen sind heute nicht mehr zu klären.

Der ungegliederte, aus Bruchsteinen gemauerte Turm ragt im Jahr 2011 ca. 21,50 m in die Höhe. Sein Umfang am Turmfuß beträgt 20,20 m, im oberen Zinnenbereich 22,20 m. Der Fußboden liegt 1,50 m über dem jetzigen Straßenniveau. Darüber, ob der Turm in einem Stück erbaut oder erhöht wurde, gibt es unterschiedliche Meinungen. An der nördlichen und südlichen Turmseite ist noch der Anschluss der ca. 5,50 m hohen und ca. 86 cm starken Stadtmauer sichtbar. Der frühere Eingang von der Stadtmauer befindet sich auf der Stadtseite ca. 6 m über dem Boden. Die starken Doppelkonsolen sind noch gut erhalten. Der heutige Zugang an der Westseite entstand erst später.

Obg Runder Turm alt Postkarte von Stadtseite Obg Runder Turm 2011 von Stadtseite

Der Runde Turm einst (links) und 2011 (rechts) von der Stadtseite aus mit den Doppelkonsolen und darüber die frühere Eingangsöffnung von der ehemaligen Stadtmauer aus.

Neben dem Turm gab es einen kleinen Durchlass, durch den die Bauern zu Fuß die Weinberge und Felder hinter der Stadt erreichen konnten.

Die Mauerstärke im Erdgeschoss beträgt 1,70 m, im 1. Stock 1,55 m, im 2. Stock 1,35 m, im 3. und im 4. Stock immer noch 1,25 m. Der freie Raumdurchmesser steigt von 3 m im Erdgeschoss auf 3,90 m im Obergeschoss. Die meisten Öffnungen nach außen waren bzw. sind mit behauenen Gewändern versehen. Die Fensteröffnungen im 2. Stock, die sich nur an Süd-, West- und Nordseite befinden, sind am kleinsten ausgefallen. Im 3. Stock dagegen sind sie in alle vier Himmelsrichtungen großzügiger gestaltet. Der Aborterker im 4. Stock befindet sich an der südwestlichen Außenseite. Zwei löwengesichtige Wasserspeier am Fuß des Zinnenkranzes leiten das Wasser ab.

Obg Runder Turm 2011 Eingangsseite
Obg Runder Turm TS 026 Ausschnitt Obg Runder Turm 3
Obg Runder Turm 2011 von Schmiedgasse
Obg Runder Turm TS 056 alt von Schmiedgasse mit Text
Obg Runder Turm Schnitt von Peter Burkart

Die Zeichnung von Peter Burkart zeigt, dass sich im Erdgeschoss ein verliesartiger Raum mit Kuppelwölbung mit einer Zugangsöffnung (60x60 cm) im Scheitel befindet. Das Gewölbe im 4. Stock hat die gleichen Konstruktionsmerkmale wie im Untergeschoss. Das könnte ein Indiz sein, dass der Runde Turm in einem Stück erbaut wurde, also kein Halbturm war.

Zwischen 1889 und 1891 wurde der Runde Turm generalüberholt. Dabei wurde der ursprüngliche Außenputz bei der Neuverbandelung des Mauerwerks entfernt. 1891 wurde auch die heute noch benutzbare Stiege eingebaut.

Es war die Zeit, als Conrady mit den Ausgrabungen des Kastells begonnen hatte und die römischen Funde so zahlreich geworden waren, dass im Runden Turm von 1892-1909 die städtische Schausammlung, quasi das erste Römermuseum, untergebracht wurde. Damals waren in allen Fensteröffnungen Butzenscheiben eingesetzt, die aber im Laufe der Zeit wieder verschwanden.

Obg RunderTurmbeschädigtFarbe Obg RunderTurm mit abgebrochenem Oberteil nah

Am 13. Oktober 1997 gegen 18 Uhr stürzte ein beträchtlicher Teil (ca. 6 m) der Turmzinnen wegen Ermüdungserscheinungen der jahrhundertealten Konsolen (vier von insgesamt 24 Konsolen brachen ab) und Umwelteinflüssen ab. Die Konsolen tragen die Bogensteine, auf denen wiederum die Brüstung aufgemauert ist. Zum Glück wurde niemand verletzt. Der marode Zinnenkranz wurde damals abgetragen, zur Stabilisierung des Mauerwerks eine Stahlbetondecke eingezogen, vieles verstärkt und mit Dübeln fixiert, der Zinnenkranz, zum Teil mit neuen Steinen wieder aufgebaut und zum Schutz gegen Wassereinflüsse mit Sandsteinplatten verkleidet. Der alte und morsche Schnurbaum (Sophora) an der Eingangstür wurde gefällt und durch einen neuen ersetzt.

Im Jahr 2002 wurden auf Kosten des Heimat- und Verkehrsvereins (HVV) die Treppenanlagen und der Bodenbelag neu gestrichen, das Turminnere entstaubt und an allen Maueröffnungen Fenstergitter angebracht. Später erfolgte auch noch die Elektrifizierung des Turmes auf Rechnung des HVVs.

 

Almosenturm

Der Almosenturm (22,50 m hoch, Grundfläche ca. 5,40 x 5,40 m) steht an der Südostecke der Stadtbefestigung und grenzte an den inzwischen aufgelassenen Mühlbach. Er ist der schönste Turm des Festungsbaumeisters Wolze Spede und gilt als das Wahrzeichen der Stadt. Viele Vereine wie der Heimat- und Verkehrsverein oder der Rotary Club Obernburg nutzen seine Silhouette in ihren Emblemen.

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Eigentlich besteht der Almosenturm aus zwei aufeinander aufgesetzten Türmen. Der untere Turm hat im unteren Teil gröbere Eckquader als bei seiner späteren Erhöhung. Er ist dreigeschossig, 16,40m hoch und endet mit einem auf Rundbogenfries vorgekragten Zinnenkranz. An dessen Ecken finden sich als Tiermäuler gestaltete Wasserspeier.

Der auf dem Unterturm sitzende 8,10m hohe kleinere Oberturm (Grundfläche 3,60x3,60 m) wurde später errichtet (vermutlich um 1550) und schließt ebenfalls mit einem auf Kehle vorgekragten Zinnenkranz ab. Durch diese Bauweise entstand im Turm ein Rücksprung, der als umlaufender Wehrgang genutzt wurde, während der sich darüber erhebende Aufsatz die Funktion eines erhöhten Ausgucks hatte.

Die unterschiedlichen Eckquader sind auf dem Bild links gut zu erkennen. 
 

Der Hauptgrund für die Errichtung solcher meist runder Türme, die Butterfasstürme genannt werden, war deshalb vermutlich weniger strategischer als vielmehr symbolischer Natur. In Obernburg wählte man eine quadratische Form an der zum Main gelegenen Schauseite der Stadt.

A_Türme09 A_Türme08 A_Türme46
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Der im Stichbogen geschlossene Zugang mit Kragsteinen für ein Podest erfolgte früher an der nördlichen Turmseite in Höhe des früheren Wehrgangs.

Im Inneren des heute durch eine Tür von der Unteren Wallstraße aus besteigbaren Turmes sind zwei Geschosse überwölbt.

 

 

 

Es fällt auf, dass am Almosenturm der Aborterker zur Stadtseite hin angebracht ist. Lag das vielleicht daran, dass der außen vorbeifließende Mühlbach (wegen der Wäschewaschplätze und der Mühle) von Fäkalien freigehalten werden sollte und diese im Stadtinneren in den mit Gefälle Richtung Gumpenturm verlaufenden offenen Abwasserrinnen entsorgt wurden?

Der Name Almosenturm erinnert an die Almosenstiftung, eine frühe soziale städtische Einrichtung zur Unterstützung schuldlos verarmter Mitbürger.

A_Türme04

Der Turm kann zu besonderen Anlässen bestiegen werden. Die Bilder zeigen Ausblicke auf die Stadt.

Gumpenturm

Der ca. 12 m hohe Gumpenturm (auch Storchennestturm) mit einer Kantenlänge von ca. 5 m entsprach in seinem Aussehen dem Hexenturm und befindet sich an der nordöstlichen und gleichzeitig tiefsten Ecke (mainseitig) der Stadtbefestigung und steht schräg zur Stadtmauer. Sein Name leitet sich vom mittelhochdeutschen Wort "Gumpe" ab, was soviel wie "Wasserloch" bedeutet. In der Obernburger Chronik heißt es: „Am 17.2.1892 musste die Mauer von Adelbergers Garten bis zum „Turm in der Gumpe“ weichen. Der ehemalige Zinnenkranz ist bereits auf Zeichnungen um 1850 abgetragen.

Der Turm besteht aus einfachen Bruchsteinen, die mit wenig Steinbearbeitung gemauert wurden.

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Aufrecht stehen noch drei Geschosse, zwei davon in Tonne gewölbt. Das dritte Geschoss ist nach oben offen mit geradem Abschluss. Der Zugang erfolgt jetzt im Untergeschoss und liegt etwa 55 cm über dem Straßenniveau. Die Sohle liegt 1,20 m unter der derzeitigen Straßenhöhe.

Im ersten Obergeschoss hat der Turm einen schmalen Sehschlitz ins Stadtinnere. Im zweiten Obergeschoss sieht man die rechteckige Einsteigöffnung mit zwei Kragsteinen für das ehemalige Podest. Der Gumpenturm wird heute so von Gebäuden eingerahmt, dass er nur schwer zu erkennen ist.

Hexenturm

Der Turm war ursprünglich ein Halbturm (9,30 m hoch) und nach Süden Richtung Runder Turm hin offen. Im 16. Jahrhundert wurde die offene Seite zugemauert und das obere Geschoss aufgesetzt, was noch an der schlechten Verzahnung der Steine zu sehen ist. Der nach der Erhöhung nun 14,30 m hohe Turm sicherte die Nordwestecke der Wehranlagen. Er entspricht in seiner Bauform dem an der Südwestecke gelegenen Täschenturm. Im ersten Stock des auf einem quadratischen Grundriß (4,50x4,50 m) erbauten Turmes ist noch an der nördlichen Seite der einstige Zugang vom Wehrgang aus zu sehen, eine stichbogige Mauernische mit einer stichbogigen Tür und daneben einem Rechteckfenster.

H_Türme21 H_Türme19
H_Türme22 H_Türme12

Bilder links: Ostseite - Bilder oben: Nordseite

Ein Aborterker sitzt im dritten Geschoss an der westlichen Außenseite. Das untere Geschoss und der Abschluss sind nach oben eingewölbt. Das mittlere Geschoss besaß ehemals eine auf Kragsteinen aufliegende Holzdecke.

Der Zugang ins untere Turmgeschoss erfolgt heute 65 cm über dem Straßenniveau an der Ostseite durch eine Holztüre. In den früheren Jahren gab es diese Türe nicht, sondern man kam nur über den Eingang auf Höhe der Stadtmauer in das obere Geschoss und mittels Leiter nach unten.

Der Name des Hexenturmes erinnert an den während des Dreißigjährigen Krieges grassierenden Hexenwahn. In seinem Verlies kerkerte man die der Hexerei Verdächtigten ein. So ist belegt, dass die der Hexerei angeklagte Katharina Märchtin von 1642 bis zu ihrem Tod 1644 eingekerkert war (Obernburger Blätter, Heft 1, 1999).

Die der Hexerei Verdächtigten wurden mit einem Aufzug in ihr fensterloses dunkles Verlies hinabgelassen, wo dann auch die Folterungen stattfanden. Dank der Initiative von Michael Waldrab und der verstorbenen Stadtführerin Ursula Buluschek, die im Turm wieder ein Verlies mit Folterwerkzeugen und einem nachgebauten Aufzug einrichteten, kann man heute die auswegslose und verzweifelte Lage einer eingesperrten „Hexe“ erahnen.

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Täschenturm

Das Verlies des Turmes diente zeitweise auch als Gefängnis, wahrschein-lich für härtere Fälle.

 

Der dreigeschossige ca. 12 m hohe und an der Türseite 4,30 m breite Täschenturm grenzt die Stadtbefestigung nach Südwesten ab. Zwischen ihm und dem wenige Meter entfernten Oberen Tor ist die Stadtmauer bis auf die einstigen Holzaufbauten des Wehrganges noch vollständig erhalten (Bilder rechts).

Heute ist er von Gebäuden umgeben und so sind nur noch zwei Seiten vollständig sichtbar.

 

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Er ist nicht exakt eckig gebaut und hängt auch ca. 0,4-0,5 m nach Westen durch. Nach Angaben des verstorbenen Tünchermeisters Karl Nebel beträgt seine Fundamenttiefe etwa einen Meter. Der Zinnenkranz des Turmes ist auf Rundbogen vorgekragt. Im Obergeschoss weist er an den Ecken kissenartige Buckelquader auf.

Der ehemalige Halbturm, der in seinem Aufbau dem Hexenturm entspricht, war ursprünglich zur Stadtseite offen, so dass eventuell eingedrungene Angreifer keine Deckung hatten. Es ist unbekannt, wann der Turm geschlossen wurde. Die zwei Bauphasen sind im Bild links deutlich zu erkennen. Fensteröffnungen befinden sich nur an der nördlichen und südlichen Seite. Einen Aborterker besitzt er nicht.

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Die Zeichnungen von Peter Burkart zeigen die ungewöhnlichen Turmstrukturen.

Die zwei unteren Stockwerke besaßen auf Kragsteinen aufgelegte Holzdecken, die entfernt wurden, so dass man einen freien Blick nach oben hat. Das obere Geschoss schließt mit einem Tonnengewölbe mit Durchgang ab.

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Blick ins Innere des Täschenturms.

 

 

 

Foto links:
Wolfgang Hartmann

Peter Burkart hat 1965 auch den Täschenturm vermessen und gezeichnet und festgestellt, dass sich am unteren Fenster der Nordseite (Bild und Zeichnung links) eingeritzte Buchstaben befinden. Der Verfasser fotografierte 2010 diese Stellen und bat Kreisheimatpfleger Wolfgang Hartmann um Begutachtung. In der Märzausgabe 2012 der Zeitschrift „Spessart“ hat dieser das Buchstabenrätsel gelöst und gleichzeitig versucht, eine Erklärung für den Turmnamen zu finden, die im folgenden sinngemäß verkürzt wiedergegeben werden soll.

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Eine Möglichkeit wäre, dass der Name wie beim Gumpenturm von der Umgebung abgeleitet wurde, denn das Wort Tasche oder Tesche, schwäbisch Täsch, wurde früher wohl synonym zu Sack verwendet und bedeutete eine taschen- oder beutelartige Ausbuchtung oder Vertiefung im Gelände. Vielleicht ist der Turm ja schief geworden, weil er auf einer Tasche mit feinerem Bodenmaterial gebaut wurde.

Oder lassen die später zugemauerte Turmseite und die gefundenen Schriftzeichen eine andere Erklärung möglich erscheinen? Hartmann stellte fest, dass die Schriftzeichen von verschiedenen Leuten stammen müssen. Deutlich zu erkennen sind die Buchstaben HK und die Jahreszahl 1504 (letzte Ziffer undeutlich). Es könnte sich um das Monogramm des Baumeisters oder Steinmetzen und das Erbauungsjahr der eingefügten Nordmauer handeln. Auch die andere Buchstabenfolge IR könnte von einem am Bau beteiligten Handwerker stammen.

Die weiter oben eingeritzten Buchstaben kann Wolfgang Hartmann als folgenden Spruch erkennen: „Alle, die mich kennen, gebe Gott ihnen, was sie mir gönnen“. Als Bestandteil von Hausinschriften sind solche Sprüche erst aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg bekannt. Was sollte aber ein solcher Spruch an einer Stelle, die man von außen nicht sieht. Die Antwort kann aus weiter unten mühevoll eingeritzten Buchstaben abgeleitet werden, die übersetzt bedeuten: „Wenn er konnte irren, so muss(?) er ein Gefangener“.

Im diesem Turmgeschoss waren also Gefangene untergebracht. Damit wird nachvollziehbar, warum der Halbturm mit einer Mauer geschlossen und so als Gefängnis benutzt werden konnte. Kam der Turm wegen seiner Nutzung eventuell zu seinem Namen?

Bei der Suche nach lautgleichen Begriffen fand Hartmann in älteren Lexika, dass Tasche/Täsche/Tesche auch als abschätzige Bezeichnung für wenig sittsame und geschwätzige Weibspersonen gebraucht worden ist (z. B. Plaudertasche).

Ist der Turm also wie der Gumpenturm nach der einstigen Topografie seines Standortes benannt oder heißt er deshalb so, weil er öfter als Gefängnis für Anstoß erregende „Täschen“ diente?

Hartmann sieht letztere Version als die wahrscheinlichere an und er meint, der Täschenturm sei auf ähnliche Weise wie der Hexenturm zu seinem Namen gekommen. Dass aber auch im Täschenturm zeitweilig Männer arrestiert waren und mit ihrem Schicksal haderten, darauf deuten die von kräftiger Hand in den Fensterstein gekratzten Buchstaben hin.

 

Die Mühle und die Wasserpforte

Nach der Stadtbefestigung 1313 musste in Kriegszeiten die Versorgung Obernburgs mit Lebensmitteln gesichert sein. Daher wurde eine Mühle als kleines Fort in die Ostmauer der Wehranlage integriert. Zu ihrem Betrieb legte man den Mühlbach an, der auch als zusätzlicher Wehrgraben entlang der Stadtmauer verlief.

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In Urkunden und Schriften wird noch von einer Wasserpforte gesprochen. Sie ist in der Verlängerung der Oberen Gasse im Katasterplan von 1844 sichtbar. Die Stadtbefestigung machte hier eine Ausbuchtung nach Osten. Sie umschloss einen Teil des Mühlbaches wie einen Zwinger, das heißt, man konnte ungehindert durch ein Tor oder eine Türe auch bei unsicheren Zeiten an die Wasserstelle des Mühlbaches gelangen.

Dass ein Ausgang vorhanden war, um in das mainseitige Vorfeld der Stadtmauer zu gelangen, könnte möglich gewesen sein. Peter Burkart vermutet eher, dass mit dem Namen Wasserpforte der Eintritt des Mühlbaches in den Bering der Stadt gemeint war.

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Die Wasserpforte diente noch in den 1950er Jahren als Waschplatz. Nach der Verfüllung des Mühlbaches und dem Abbau des Stegs führt der Weg heute direkt in die Mainanlagen.

Zum Abschluss des Berichts über Obernburgs mittelalterliche Stadtbefestigung soll eine Zeichnung von Josef Michelbach mit seiner Version der mainseitigen Stadtansicht um das Jahr 1700 Raum für eigene Phantasie lassen.

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Heinz Janson

Quellen:
Geschichte der Stadt Obernburg von Hofrath Dr. Kittel, 1876
1900 Jahre Obernburg am Main, Chronik von Leo Hefner
Obernburg am Main – Ein Stadtrundgang von Leo Hefner
Aufzeichnungen und Pläne von Peter Burkart
Archiv der Stadt Obernburg
Die Kunstdenkmäler von Bayern, Regierungsbezirk Unterfranken, XXIII. Bezirksamt Obernburg
Wolfgang Hartmann, Zeitschrift Spessart März 2012, Der Obernburger Täschenturm und seine Rätsel
Verschiedene Veröffentlichungen