Als unsere Stadt im Jahre 1814 zum Königreich Baiern kam, gab Obernburg sich ein neues Stadtwappen. Der Hirsch, der eine goldene Traube mit einem grünen Rebstock im Maul trägt, sollte auf die lange Weinbautradition, aber auch auf die freie Jagdberechtigung der Bürger hinweisen.
Der Betrieb von Heckenwirtschaften war nicht konfliktfrei In den „Heckenwirtschaften“, wo eigener Wein ausgeschenkt werden durfte, wurde von vielen Weingärtnern Geld verdient. Von 1835 bis 1903 gab es 28 Familien, die ihren Wein in ihren „Nebenwirtschaften“ verkaufen durften. Im Jahre 1819 hatte die königlich baierische Regierung des Untermainkreises im Namen seiner Majestät des Königs ihnen zugestanden:
„Wenn es zu Obernburg in der Art hergebracht war, dass jeder Bürger seinen selbst erbauten Wein zapfen durfte, so kann dieses Recht auch fernerhin nicht entzogen werden; es ist aber nur gegen Missbräuche und polizeiwidrige Unordnungen zu wachen.“
Trotzdem gab es immer wieder Konflikte der Nebenwirtschaften mit den „concessionierten“ Wirten. Oft kauften nämlich die „Heckenwirtschaften“ auch fremde „Creszentien“ und schenkten sie aus. Außerdem hatten sie den Vorteil, dass sie von herrschaftlichen Steuern befreit waren, während die offiziellen Wirte behördliche Auflagen erfüllen und Abgaben entrichten mussten.
Niedergang des Weinbaus Der Dreißigjährige Krieg machte mit dem Durchzug von Truppen, Plünderungen und Seuchen ab dem Jahre 1630 der wirtschaftlichen Blüte ein Ende. Weinberge wurden gerodet oder verwilderten. Nach dem katastrophalen Krieg wurden aber mit zunehmender Bevölkerung die Rebkulturen wieder mühsam aufgebaut. Ein Chronist beschrieb um 1800, dass das ganze Maintal mit seinen Seitentälern von Aschaffenburg bis Bamberg fast geschlossen mit Weinbergen bebaut sei.
Bald aber bewirkten naturbedingte und wirtschaftliche Vorgänge vielerorts den Niedergang des Weinbaus bei uns:
Ab 1803 Säkularisation: Die geistlichen Fürstentümer, wie das Erzstift Mainz und das Aschaffenburger Stift wurden aufgelöst. Es gab Nachfrageeinbrüche beim Wein wegen der politischen Umwälzungen und der Napoleonischen Kriege.
1813/14 kühle Sommer: Die Trauben reiften nicht, es gab nur saure Weine.
In der bayerischen Zeit (ab 1814) löste Bier den Wein als Volksgetränk ab.
Ab 1834 Gründung des deutschen Zollvereins und ab 1871 Gründung des zweiten Kaiserreiches: Die Konkurrenz anderer Weinbauregionen und ein Geschmackwandel verminderten die Nachfrage nach einheimischen Weinen.
1879/80 kalter Winter: 2000 Weinstöcke erfroren.
Ab 1888 Aufkommen der Peronospera (Blattfallkrankheit) und der Reblaus: Viele Rebstöcke starben ab.
Zwischen 1800 und 1900 soll es nur 38 gute Weinlesen gegeben haben.
Angesichts dieser Entwicklungen gaben in diesen Jahrzehnten viele Winzer ihre mühevolle Arbeit mit den unberechenbaren Erträgen in den Weinbergen auf und wandten sich einträglicheren Erwerbsmöglichkeiten zu. 1887 gab es in Obernburg nach amtlichen Statistiken noch 13 Hektar 63 Ar Weinberge, 1899 wurden nur noch 6 Hektar 30 Ar „im Ertrag stehend“ bezeichnet.
So verschwanden allmählich die letzten Rebkulturen und wurden durch den Obstanbau ersetzt. Viele Weinberge verwilderten. Die Steine so mancher Weinbergs-mauer wurden zum Bau von Häusern abtransportiert. Im Jahre 1905 lud der Main-fischer Fridolin Weiler zum letzten Mal zu einer Häckerwirtschaft mit vier Hekto-litern Obernburger Weinen ein.
Wiederbelebung der Weinbautradition In einigen Nachbargemeinden kam es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer erfolgreichen Wiederbelebung der Rebkulturen. Viele Winzer sorgten dafür, dass ihre Weinorte durch ihre edlen Tropfen einen guten Ruf bekamen. In Obernburg gab es wegen der steilen Ostlagen der Weinberge keinen umfassenden Neuanfang, obwohl so mancher zäher Rebstock bis in die heutige Zeit überlebt hatte.
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